Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
ist.«
    Maulend setzten sich die Männer an den Tisch. Mathias überlegte angestrengt. »Im Keller gibt es Schinken und Wein. Ich bin der Hausherr, ich werde euch bedienen. Wir werden fressen und saufen wie nie zuvor!« Dann rannte er nach unten und brachte zwei Krüge mit Wein. Er stellte Becher und Teller auf den Tisch, schleppte Brot, Schinken und Eier heran, brachte Äpfel und Birnen. Er belud den Tisch, so voll es ging.
    Overtüsch trank direkt aus dem Krug, den er mit beiden Händen hielt. Die anderen machten es ihm nach. Mathias trank wenig. Er stach mit dem Messer in ein Ei und saugte es aus. Die Schale warf er einem der Gefangenen ins Gesicht. Die Räuber fraßen Speck, Schinken und Brot fast gleichzeitig. Mathias holte mehr Wein.
    Overtüsch rülpste, trank und schwitzte. Die beiden anderen hatten sich untergehakt und grölten Soldatenlieder.
    Mathias ging zu den Gefangenen und schleppte einen nach dem anderen an den Tisch. »Feiert mit!«, schrie er, goss jedem Wein über den Kopf und lachte meckernd. Die Kameraden klatschten sich begeistert auf die Schenkel.
    Overtüsch schrie: »Fetzer, du bist wirklich besser als alle!« Nun kam Mathias in Fahrt, er setzte sich an das Harmonium, pumpte mit den Füßen Luft, wie er es in Neersdonk bei dem Hausgeistlichen der Gräfin gesehen hatte, und drückte die Tasten. Er konnte nicht spielen, aber seine Bewegungen waren feierlich. Die Kumpane schlugen mit den Fäusten den Takt auf den Tisch. Er sprang, auf, verschwand im Hinterzimmer und kam in der Kutte des Einsiedlers zurück. Dann nahm er den Gefangenen die Knebel aus dem Mund. »Ihr singt jetzt fromme Lieder, sonst schneid ich euch die Ohren ab!«
    Am Harmonium gab er den Gefangenen mit großer Geste das Einsatzzeichen. Was dann kam, war kläglich. Mathias hieb auf die Tasten. »Lauter!«, schrie er die Gefangenen an. Gequält klang es »Großer Gott, wir loben dich«. Mathias zog immer wieder die wenigen Register und drückte sie zurück. Zwischendurch dirigierte er die traurige, weintriefende Sängergruppe. Die Räuber wieherten vor Lachen, Mathias war zufrieden.
    Gegen Morgen hörte das Unwetter auf. Die Gefangenen hatten nach den Kirchenliedern alle Soldatenlieder singen müssen, die sie kannten. Overtüsch und seine beiden Freunde waren selig betrunken. Mathias zog sie von den Stühlen. »Los, wir müssen weg!« Ungeduldig trieb er sie aus der Klause. Als sie weit genug von Lobberich entfernt an eine Scheune kamen, sagte Mathias: »Schlaft erst mal. Wir treffen uns im ›Schwan‹.« Er trug noch die Kutte des Einsiedlers.
    Mathias wurde von einer Kutsche überholt. Er winkte, der Wagen hielt, Mathias bat demutsvoll: »Ich bin auf dem Weg nach Neuß. Habt ein Herz und nehmt mich mit!« Er wurde eingeladen. Die Fahrgäste rückten höflich zusammen. Der verkleidete Räuberhauptmann gab sich schweigend ins Gebet vertieft. Darüber nickte er ein. Hinter Willich wachte er wieder auf Die Mitreisenden waren auch eingeschlafen. Vorsichtig zog Mathias seinem Nachbarn die Uhr aus der Tasche, konnte aber die Kette nicht lösen, ohne ihn zu wecken, so steckte er die Uhr wieder zurück.
    Hinter Kaarst, in der Nähe des Steinhauses, rief er dem Kutscher zu: »Halt an, Bruder!«, und stieg aus. »Möge Gott dir für die Freundlichkeit gnädig sein!« Der Kutscher knallte mit der Peitsche, der Wagen rollte weiter.
    Im ›Schwan‹ lief Mathias sofort zu Gertrud. »Das Kind in meinem Bauch strampelt kräftig.« Er versprach dem Sohn eine große, feine Wiege.
    Zwei Wochen später plante die Neußer Bande einen Überfall in Oppum. Auf dem Weg dorthin begegneten ihnen drei Männer. Zwei waren reich gekleidet, der dritte trug einen zerschlissenen Rock und grob geflickte Hosen. Er ging voraus und schleppte ein Holzgestell auf dem Rücken. An die Trage waren zwei Koffer, ein Korb und ein prall gefüllter Leinensack geschnürt. Mathias schritt freundlich grüßend mit seinen Kameraden an den Männern vorbei. Hinter der nächsten Wegbiegung kehrten sie um und schlichen den Ahnungslosen nach. Die Banditen fielen über die vornehmen Händler her und setzten ihnen die Dolche an die Kehlen.
    Der Träger hatte nichts gemerkt. Mathias lief ihm leise nach, glich seinen Schritt dem des Trägers an und ging genau hinter ihm. Er zog sein Messer und schnitt den prall gefüllten Geldsack von dem Gepäck. Der Träger trottete gleichmäßig weiter. Mathias rannte mit der Beute zu den Gefährten zurück.
    Der Sack war bis oben hin voll mit

Weitere Kostenlose Bücher