Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Die Franzosen sind mir zu gefährlich.«
Der Vetter traf am Abend im Haus der Witwe ein. Er untersuchte die Beute und sagte sehr schnell: »Ich biete euch fünfzig Karolinen für alles. Mein geliebter Verwandter in Sonnenberg hat euch zu viel geboten.« »Du Schwein, woher weißt du, wie viel uns der Hirsch geboten hat?«, fragte Johann böse. Jakob wurde unsicher. Als er sah, dass der Räuber nicht zum Messer griff, lachte er vorsichtig. »Die Tochter vom Hirsch ist mit dem Sohn meines Bruders verheiratet, und der hat mir heute Nachmittag den Preis gesagt. Fünfzig Karolinen ist eigentlich auch noch zu viel!«
»Jetzt reicht’s aber!« Mathias riss die Tür auf »Verschwinde!«
Als der Vetter weg war, schlug Aron vor: »Wir können es bei meinem Bruder in Igstadt versuchen. Der Samuel ist der reichste Händler in meiner ganzen Verwandtschaft.«
Wieder ließ Mathias die Beute in die beiden großen Körbe verladen und auf ein Pferd binden. Er nahm den Straßburger zur Seite und flüsterte: »Ich trau dem Aron nicht. Sicher weiß der Bruder auch schon, wie viel die beiden Halsabschneider uns geboten haben.«
Johann nickte grimmig.
»Ich bleib hier«, fuhr Mathias fort, »und such selbst nach einem Käufer. Reit du mit dem Aron nach Igstadt. Falls ihr das Zeug da nicht zu einem guten Preis loswerdet, verkaufen wir es selbst.«
Johann Müller ritt am nächsten Tag zusammen mit Leibchen Sand und Aron nach Igstadt. Samuel begrüßte seinen Bruder mit einer innigen Umarmung. Der Händler war ein dicker, kleiner Mann mit einer spiegelblanken Glatze. Er rief den Räubern zu: »Tragt die Waren ins Haus! Die Nachbarn sind sehr neugierig, und da hinten«, er deutete über die Straße auf ein flaches Haus, »dahinten wohnt der Polizeihauptmann.«
Hastig schleppten die Räuber die Körbe hinein. Samuel, Aron und drei Knechte folgten den beiden. In der Stube öffnete der fette Händler das Fenster. Dann nahm er die Säcke von den Körben und rief mit klagender Stimme: »Ihr Diebe! Ihr wollt mich ehrlichen Mann in eure schmutzigen Geschäfte hineinziehen!« Der Bruder des Aron tobte und schrie.
Johann wollte sich auf ihn stürzen, da sah er die Pistolen in den Händen der Knechte. Samuel nahm einen silbernen Becher und warf ihn zum Fenster hinaus auf die Straße. Wieder schrie er: »Diebe! Gesindel! Ich lass euch einsperren!«
»Aron, du Schwein, du hast uns reingelegt!« Johann zitterte und schnaufte. Er hatte die Hände geballt, die Knöchel waren weiß. Aron zuckte die Schultern. Sein Bruder trat ans Fenster und rief: »He, Polizei! Zu Hilfe!«
Johann gab Leibchen Sand ein Zeichen. Mit wenigen Sätzen waren sie aus dem Raum. Im Hof sprangen sie auf ihre Pferde und galoppierten davon. Niemand schoss hinter ihnen her, und niemand verfolgte sie. Die Beute blieb in der Stube des Händlers zurück.
In Schierstein berichteten sie Mathias und den andern, wie Aron mit seinem fetten Bruder die ganze Bande hereingelegt hatte. Mathias tobte: »Kocht Blei! Wir gießen hundert Kugeln und schießen sie den Saukerlen in den Wanst.«
»Wenn wir in Igstadt anrücken, werden wir von der Polizei und vielleicht auch von Soldaten empfangen!«, gab Johann zu bedenken.
Mathias überlegte, schließlich entschied er: »Wir werden dem Schwein einen Brief schreiben. Wir drohen ihm mit Mord und Brand, falls er nicht sofort Geld für die Waren rausrückt. Wir lassen uns nicht bestehlen.«
Johann schüttelte den Kopf »Wer soll den denn schreiben? Etwa der Lehrer?«
Mathias grinste. Fast feierlich sagte er: »Ich werde selbst schreiben!«
»Das glaub ich erst, wenn ich es sehe.« Johann lachte und schlug sich auf die Schenkel.
Mathias ließ die Witwe Tauber beim Pfarrer Papier, Tinte und Federkiel holen. Er setzte sich in die Schankstube. Die anderen sahen staunend zu, wie er langsam Buchstaben um Buchstaben malte. Er schrieb:
›Geschätzter Samuel!
Wenn du nicht sofort Geld gibst, kommen wir mit allen Männern und erschlagen deine ganze Familie. Wir brennen dein Haus nieder und braten dich am Spieß, du fettes Schwein.
Deine Freunde‹
Johann bewunderte den Brief: »Wieso kannst du schreiben?«
»Das hat mir der Pfaff in Neersdonk gezeigt.« Mehr wollte Mathias nicht erzählen.
Die Witwe Tauber kannte einen zuverlässigen Tagelöhner in Schierstein, der Botengänge übernahm. Mathias gab ihm den Brief »Bring ihn nach Igstadt zum dicken Samuel! Komm mit dem Geld wieder! Du bekommst zwei Taler. Wenn du versuchst, uns zu betrügen,
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