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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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herbeiläuten. Kurz vor der Eingangstür pfiff eine Kugel über ihre Köpfe hinweg. Sie warfen sich in Deckung und feuerten auf die dunkle Silhouette vor dem Kirchenportal. Johann feuerte die doppelläufigen Pistolen leer, dann riss er die Flinte an die Schulter und jagte noch eine Kugel auf die Angreifer. Auch die Bauern schossen daneben. Sie sprangen auf und stürmten zu fünft auf das Kirchenportal zu. Johann hatte den Säbel in der Faust. Er kämpfte, dabei schrie er lauter als die Bauern. Er verletzte drei Männer, doch langsam drängte ihn die Übermacht vom Portal weg. Dann bekam er einen harten Schlag auf die rechte Schulter. Er musste den Säbel in die linke Hand nehmen. Als er noch mehr Bauern auf die Kirche zustürzen hörte, sprang er mit einem riesigen Satz über die Kirchenmauer und versteckte sich hinter einem Grabstein. Keiner verfolgte ihn. Die Bauern drängten in die Kirche, und gleich darauf gellte die Sturmglocke.
    Im Haus des Pfarrers war der Überfall fast beendet. Die Männer stopften die letzten Leuchter des Kirchensilbers in den Sack. Den Leinenbeutel mit eintausendfünfhundert Golddukaten hielt der Meersener fest im Arm. Er gab das Zeichen zum Abrücken. Draußen feuerten die Wachposten auf die ersten Angreifer, die dem Pfarrer zu Hilfe eilten.
    Als Mathias das Signal zum Abmarsch hörte, pfiff er seinen Männern. Langsam und immer wieder einen Schuss abfeuernd, zog sich die ganze Bande zurück. Am Ortsausgang schloss sich Johann den Kumpanen an.
    Sie brachten das Kirchensilber nach Bendorf und verkauften es dem Hehler Afrom. Die Beute war so groß, dass die Männer vierzehn Tage lang in Neuwied hurten, tranken und spielten, bevor der erste wieder ohne Geld aufwachte.
    Für Ursula bezahlte Mathias an Belz noch einhundertfünfzig Taler für das Jahr 1798 und zweihundert Taler im Voraus für das kommende Jahr. Er freute sich, wenn seine Tochter durch das Zimmer tapste und »Vater« zu ihm sagte. Christine hatte sich mit Hilde angefreundet. Die Frauen erhielten viel Geld von ihren Männern und lebten vergnügt in der Herberge des Belz. Aber oft schlichen sich Mathias und Johann heimlich in die Neuwieder Bordelle.
    Mitte November machten sie einen Erkundungsabstecher über Königswinter nach Oberdollendorf Beide trugen die französischen Uniformen. Sie erfuhren, wie reich der Branntweinbrenner von Rösrath sei. Gleich schickte Mathias einen Boten nach Neuwied und bestellte zehn Männer in die Gasthäuser von Deutz.
    Zwei Tage später traf die Bande im französisch besetzten Deutz ein. Johann hatte für alle Männer Unterkünfte in den Gasthäusern ›Landskrone‹ und ›Bensberg‹ gemietet. Bei Mathes Spielmanns kauften sie Stricke, Blei und Pulver.
    Der Treffpunkt war eine Stunde vor Mitternacht in dem kleinen Eichenwald kurz vor Rösrath. Die Bande ging zu Fuß. Mathias und Johann folgten den Männern, uniformiert und hoch zu Ross.
    Die Brennerei war von einem Wassergraben umgeben, es gab nur einen Zuweg. Mathias erkundete die Gegend und stellte einige Männer so, dass der Rückweg gesichert war. Johann machte den Anführer und stürmte mit dem Rest der Bande die Gebäude. Die Überraschung lähmte jede Gegenwehr.
    Die Beute betrug sechzig Louisdors. Ohne die Bewohner Rösraths in ihrem Schlaf gestört zu haben, entkamen die Räuber und gelangten im Morgengrauen wieder nach Deutz.
    Gegen Mittag überbrachte ein Gendarm Mathias ein Schreiben, in dem er aufgefordert wurde, bis Mitternacht fünfzig Louisdors an den deutschen Stadthauptmann zu bezahlen. »Jetzt will sich schon die Polizei an unseren Überfällen beteiligen. Bald sind wir echte Generäle«, sagte Mathias. Sie hatten gar nicht so viel Geld.
    In der Nacht wartete Mathias mit Johann oben in ihrer Kammer. Auf dem Bett lagen sechs Pistolen. Gegen zwei Uhr kam wieder der Gendarm, der das Schreiben überbracht hatte. Er verriet den Räubern, dass der Stadthauptmann den Befehl ausgegeben hätte, um fünf Uhr in der Frühe die beiden Gasthäuser zu umstellen und die Bande zu verhaften. Für diesen Dienst wollte der Polizist fünf Louisdors haben. Johann gab ihm drei und warf ihn hinaus. »Die Polizei ist genau so hinterm Geld her wie wir!«
    Sie weckten die Kumpane. »Fahrt mit der ›Fliegenden Brücke‹ rüber auf die andere Rheinseite«, riet Mathias. »Auf dieser Seite werden sicher alle Wegkreuzungen bewacht.«
    Leise verließen die Banditen die Gasthöfe und gingen zur Anlegestelle der Fähren. Die Seile, mit denen das breite

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