Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Wagen die Höhe der Herberge erreicht hatte. Dann verlangsamte er das Tempo und bog in den Hof des Wirtshauses ein.
»Hilde!«, schrie Johann, als der die beiden Passagiere erkannte.
»Christine!«, rief Mathias.
Die beiden sprangen aus dem Wagen. Sie waren wie reiche Bürgersfrauen gekleidet. Sie trugen die gleichen hellblauen Kopftücher und dunkelblauen Reiseumhänge. Die Frau des Straßburgers hatte ein festes, rundliches Gesicht. Ihre großen, dunklen Augen blickten zornig ihren Mann an. Sie ging energisch auf ihn zu. Ehe er etwas sagen konnte, schlug sie ihm zweimal klatschend ins Gesicht. »Abhauen wolltest du! Nach Hamburg!«
Johann machte ein schuldbewusstes Gesicht.
Christine stand vor Mathias. Sie hatte beide Hände in die Hüften gestemmt. Sie sah auf die Kapitänsmütze, die Mathias tief in die Stirn gezogen hatte. »Na, Fetzer, willst du zur See fahren? Du kannst doch nicht einmal schwimmen!« Sie lachte höhnisch.
»Hält’s Maul! Sonst …!«, fuhr Mathias sie an. Christine achtete nicht auf die Drohung. »Komm, Hilde, erst trinken wir jetzt einen ordentlichen Schnaps.«
Hilde fauchte ihren Mann an: »Wenn du noch einen Schritt nach Hamburg tust, dann kannst du was erleben!«
Die beiden Männer sahen ihren Frauen stumm nach. Erst als sie in der Herberge verschwunden waren, seufzte Johann: »Diese lästigen Weiber!« Mathias schüttelte den Kopf »Ich lass mir nichts befehlen. Ich geh nach Hamburg!« Er machte eine Pause, dann fügte er langsam hinzu: »Morgen vielleicht. Wir können den Abmarsch ja um einen Tag verschieben.«
»Fetzer, du hast Recht. Morgen ziehen wir los. Diese lästigen Weiber!«
Mathias erklärte den anderen, dass sie noch eine Nacht hier Station machen wollten. Er schickte einen Mann hinter den Kumpanen her, die schon unterwegs waren, um sie zurückzuholen.
Hilde und Christine saßen an einem Ecktisch. Als die beiden Männer den Schankraum betraten, hatten sie die Reiseumhänge schon abgelegt. Mathias sah Hilde neugierig an. Sie gefiel ihm. »Mathias!« Christine zog ihn auf den Stuhl neben sich.
»Ich hab sie vor den Augen der Gendarmen entführt. Wir haben uns im Gasthaus ›Zur alten Post‹ getroffen. Hilde hatte mir gleich gesagt, dass die Franzosen sie beobachten. Wir sind zu einem Trödler und haben unsere alten Kleider verkauft und uns diese Sachen hier ausgesucht. Für zwei Taler hat uns der Trödler durch die Hintertür hinausgelassen. Dann haben wir eine Extrapost gemietet und sind direkt an den Gendarmen vorbeigefahren. Sie haben uns in den vornehmen Kleidern nicht erkannt.«
Hilde sagte vorwurfsvoll zu ihrem Mann: »Ohne die Witwe Tauber hätten wir nicht gewusst, wohin ihr seid, dann hätten wir euch nicht gefunden.«
Die beiden Paare tranken viel. Sie feierten das Wiedersehen. »Vielleicht sind die Weiber in Hamburg doch nicht so gut«, sagte Johann zu Mathias. Auch oben in den Kammern ging es in der Nacht heftig und laut zu. Am nächsten Morgen hatten beide Räuber den Plan aufgegeben, den Winter in Hamburg zu verbringen. Sie verkauften die Kapitänsmützen für den halben Preis wieder an den Trödler. In Begleitung ihrer Frauen kehrten sie nach Neuwied zurück. Die enttäuschten Gefährten folgten bald nach. Ohne ihre Anführer würden auch sie in Hamburg keinen Erfolg haben.
Bei Belz plante ein zugereister Meersener Offizier, der bisher hauptsächlich in Holland gearbeitet hatte, einen Überfall auf den Pfarrer von Hundsangen. Die Neuwieder Banditen grölten begeistert, als Mathias und Johann eintrafen. »Jetzt kann nichts mehr schief gehen!«
Der Meersener war zum Anführer gewählt worden. Mathias und Johann ließen sich zu Unterführern machen. Der Plan war einfach und sollte auf die bewährte Methode mit Hilfe des Sturmbalkens durchgeführt werden. Der Anführer war sicher, dass die Bewohner von Hundsangen vor Angst in ihren Häusern bleiben würden. »Die Bauern haben Mut bekommen«, warnte Mathias. »Wir müssen Wachen aufstellen, denkt an Daaden!«
Mathias stellte Wachen um das Pfarrhaus auf. Johann war wieder mit zwei Pistolen, einer Flinte und einem Säbel bewaffnet und stand breitbeinig vor dem Kirchenportal. Die Tür des Hauses brach schon nach dem ersten Stoß. Die Räuber drangen ein, überrumpelten und fesselten den Geistlichen und die Hausangestellten. Der Lärm im Pfarrhaus weckte die Bauern in der Nachbarschaft. Einige mutige Männer nahmen Flinten und Knüppel und rannten zur Kirche. Sie wollten Hilfe aus Hadamar
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