Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Schnaps bringen, wenn unter den Männern ein alter Kumpan aus Meersen, Krefeld, Köln oder Neuß war.
Vier Tage nach seiner Rückkehr kam ein Jude zu Mathias, ein magerer, langer Kerl mit einem runden, schwarzen Hut und einem dunklen Überwurfmantel. Mathias empfing ihn mit gespannter Pistole. »Was ist?«
»Ich bin der Calmen aus Neuenahr, mich schickt der Polizeiagent Hauf Ich soll was ausrichten.« Der Mann berichtete, die französischen Zollsoldaten von Heimersheim hätten in der vergangenen Woche zwei Karren mit Silber und Schmuck beschlagnahmt. »Die Ware liegt im Zollbüro von Heimersheim und wird nicht bewacht. Der Agent Hauf lädt euch ein, das Silber zu stehlen und ihn bei der Teilung angemessen zu berücksichtigen. Wenn alles gut geht, soll das nicht der letzte Hinweis gewesen sein.«
Die Aussicht auf so reiche Beute verlockte, und der Bericht des Boten klang vernünftig. Trotzdem blieb Mathias misstrauisch. Er fesselte und knebelte den Boten. »Wenn wir gesund und reich zurück sind, bind ich dich los.«
Schon in der folgenden Nacht fuhr er mit fünf Männern über den Rhein und zog nach Heimersheim an der Ahr. Sie fanden das französische Zollbüro unbewacht. Mathias öffnete das Türschloss mit seinem Nagel. Der Bote hatte nicht übertrieben. Sie erbeuteten achtundfünfzig Pfund Silber, zwei goldene Stockknäufe, drei Paar silberne Schnallen und ein diamantenes Kreuz.
Mathias beauftragte Hermann Munter, mit zehn Pfund Silber nach Neuenahr zu reiten und dem Polizeiagenten seinen Anteil zu übergeben. »Sag ihm, dass ich gern mit ihm zusammenarbeite und gut dafür bezahle.«
In Neuwied befreite er den Juden Calmen von seinen Fesseln, schenkte ihm zwei Pfund Silber und lud ihn ein, den gelungenen Diebstahl mitzufeiern.
Juli 1798
Im ersten Tageslicht stieg Mathias angetrunken und müde die Treppe zu Christines Kammer hinauf. Im Halbdunkel des Flurs sah er eine große, reglose Gestalt. Mathias ließ sich fallen und zog das Messer. Ohne den Mann aus den Augen zu lassen, kroch er langsam rückwärts zur Treppe. Aus dem Flur kam ein tiefes Lachen. »Wenn ich gewollt hätte, wärst du schon tot, Fetzer.«
Mathias stand auf »Wer bist du?«
»Ich bin der Johann Müller aus Straßburg. Ich will mit dir reden.«
»Komm langsam zur Treppe und halte die Hände über den Kopf.«
Müller lachte, aber er tat, was Mathias gesagt hatte. Dann stand er dicht vor ihm. »Ich hab gehört, wie viel du heut Nacht erbeutet hast. Ich will bei dir mitmachen.«
Mathias fasste ihn am Arm. »Komm mit nach draußen. Da stört uns keiner.«
Im Hof zwischen den Schuppen setzten sie sich auf einen Bretterstapel. Johann Müller erzählte von seiner Bande im Elsass. Mathias hörte aufmerksam zu. Er war nicht mehr müde. Der große Mann mit dem hageren Gesicht und den lebhaften, dunklen Augen faszinierte ihn. Er spürte, dass er stark, sicher und zuverlässig war.
»Beim nächsten Bruch bist du dabei«, sagte Mathias. Sie gaben sich die Hand.
Bevor Mathias neben Christine einschlief dachte er über Johann Müller nach. Er wünschte sich, dass er wirklich so geschickt und gut war, wie er auf ihn gewirkt hatte. Dann würde er ihn gerne bei sich haben.
Von einem Scherenschleifer erfuhr Belz, dass der Friedrich Jikjak aus Wesel im alten Turm von Engers gefangen gehalten würde. Mathias erschrak, als er das hörte. Jeder wusste, dass der alte Jikjak ein hinterhältiger Kerl war, und wenn es ihm etwas einbrachte, auch ein gemeiner Verräter. Manchmal zog er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern bettelnd durch die Gegend. Dann wieder erzählte man sich in den Wirtshäusern, der Jikjak habe ein Haus überfallen, die Bewohner ausgeplündert und zum Schluss brutal ermordet. Wenn er die Ringe nicht abstreifen konnte, schnitt er seinen Opfern die Finger ab. So einen wollte kein Bandenoffizier unter seinen Männern haben.
»Der verrät uns alle, wenn er sich damit retten kann!«, sagte Mathias zu Johann.
»Na, dann holen wir ihn halt raus«, meinte Johann ruhig.
Christine wollte die Männer begleiten. Mathias versuchte, ihr die Gefährlichkeit dieser Unternehmung klar zu machen, aber sie ließ sich nicht davon abbringen. Da machte Johann Müller einen Vorschlag. »Meine Hilde ist in Mainz. Im Juni ist sie da eingelocht worden, aber sicher ist sie schon wieder draußen. Ohne mich ist sie für die Polizei wertlos.« Er lachte. »Sie wird im Gasthof ›Zur alten Post‹ auf mich warten. Und bestimmt warten die Soldaten auch, dass ich
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