Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
seid ihr?«
»Freunde aus Neuß«, sagte Mathias schnell und gab den beiden anderen ein Zeichen, nicht zu widersprechen. Der Alte nickte: »Ich danke euch.«
Mathias zog seine Jacke aus und gab sie ihm, dann zählte er aus einem Beutel noch zwanzig Taler ab. »Hier, damit kommst du wieder auf die Beine.«
»Geh ins nächste Dorf und lass dich versorgen«, riet Johann Müller.
Die Augen des Banditen leuchteten, als er das Geld in der Hand hielt. »Der Klang von so vielen Talern weckt meine kaputten Lebensgeister!«
»Warum hast du gestern eigentlich so geschrien, als wir die Tür aufgebrochen haben?«
»Die Kerle von der Bürgerwehr haben mich dazu gezwungen. ›Wenn sich jemand an der Tür zu schaffen macht, musst du so laut schreien, dass wir es im Ort hören‹, haben sie gesagt. Sie haben selbst ab und zu an die Tür geschlagen, und wenn ich dann nicht geschrien hab, dann haben sie heißes Wasser auf mich runtergeschüttet. Ich wusste ja nicht, ob sie mich wieder prüfen wollten, da hab ich geschrien.«
Mathias, Johann und Hammerich ließen den stinkenden Mann auf der Lichtung zurück. Sie machten sich auf den Weg nach Wiesbaden. Johann kannte dort den Hehler Aron in der Langgasse. Der Hehler versprach ihnen, eine große Sache auszukundschaften. Sie schickten Hammerich nach Neuwied, um noch einige Männer zu holen. Mathias und Johann blieben in der Stadt und zeigten sich gegenseitig alle Kniffe, die sie kannten, um Türschlösser zu öffnen. Mathias wusste bald, dass er sich auf den Straßburger verlassen konnte, und spürte auch, wie Johann ihm ganz vertraute. Er war gern mit dem schwarzhaarigen Mann zusammen.
Der Hehler Aron hatte in Erfahrung gebracht, dass der Schultheiß von Camberg einen großen und reich gefüllten Laden besaß. Sobald die Männer aus Neuwied eingetroffen waren, bereitete Mathias gemeinsam mit Johann den Überfall vor.
Nach drei Tagen zogen sie in der ersten Abenddämmerung los. Mathias hatte befohlen, so leise wie möglich zu sein. »Ich weiß nicht, ob die Bauern Gewehre haben. Uns schnappen sie nicht. Denkt an Daaden und passt auf!«
Johann stellte sechs mit Gewehren bewaffnete Wachen rund um den Laden des Schultheißen. Er selbst versteckte sich neben der Kirchentür, damit keiner an die Sturmglocke kommen konnte. Er war mit zwei Pistolen und einer Flinte bewaffnet. Mathias öffnete fast lautlos die Schlösser an der Ladentür, und vier andere räumten die Regale leer.
Leise, wie sie gekommen waren, verschwanden die Banditen wieder aus Camberg. Sie brachten die wertvollen Tuchballen und kunstvollen Silbergeräte nach Schierstein in das Haus der Witwe Tauber. Schon früh am nächsten Tag kam der Hehler Aron aus Wiesbaden und besichtigte die Beute. »Wir bringen alles zu meinem Schwager Hirsch nach Sonnenberg. Der zahlt am besten.«
Aron hatte eine weit verzweigte Familie. Viele seiner Schwäger und Vettern waren Hehler wie er. Juden durften damals nicht Bauer oder Handwerker werden, wohl aber Händler, Gastwirt und Kaufmann. Die vielen Anfeindungen und Verfolgungen der Bürgerschaften brachten einige von ihnen dazu, mit Dieben und Betrügern heimlich ihre Geschäfte zu machen und sehr schnell die Methoden dieser Banditen anzunehmen. Die Familienbeziehungen waren eng, man half sich gegenseitig, nicht zuletzt, um selbst besser überleben zu können.
Mathias ließ die Waren in zwei großen Körben auf ein Pferd binden. Er und Johann ritten mit Aron nach Sonnenberg. Unterhalb der alten Burg wohnte der Schwager. Er untersuchte die Tuchballen und kratzte an den Silberschüsseln. »Ich bezahle vierundfünfzig Karolinen.« Mathias lachte aus vollem Hals. »Wir wollen das Zeug nicht verschenken!«
»Das sind fast vierhundertdreißig Reichstaler!« Johann wurde ärgerlich. »Die Ware ist mindestens das Doppelte wert.«
»Das Doppelte? Ich würde euch mit vierundfünfzig Karolinen sogar noch etwas schenken, weil ihr die Freunde von meinem Schwager seid. Nein, mehr als vierundfünfzig Karolinen kann ich nicht bezahlen.« Die beiden Räuber brachen die Verhandlung ab. »Komm, Aron, lass deinen Schwager kaufen, bei wem er will, aber nicht bei uns. Wenn du was abhaben willst, komm mit. Wir verkaufen nem andern.«
Auf dem Rückweg von Schierstein erzählte Aron, dass er noch einen Vetter in Mainz habe. »Der Jakob wird euch sicher mehr bezahlen.«
»Lass ihn zur Witwe Tauber kommen!«, forderte Mathias. »Er soll sich da die Sachen ansehen. Ich will mit dem Zeug nicht über den Rhein.
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