Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
dabei.«
Mathias herrschte ihn an: »Halt’s Maul!« Er wandte sich an den Franzosen und knurrte: »Beweis, dass du der Picard bist!« Der Fremde sah sich um. »Ich suche den Johann Müller, der hat mit mir schon einige Überfälle gemacht.«
»Der Müller ist nicht da.«
Picard lächelte wieder: »Dann können mich nur die Männer aus Aachen kennen. Gibt es hier noch mehr als ihn?« Er zeigte mit seiner gepflegten Hand auf den Mann, der ihn erkannt hatte.
»Hol die Männer aus dem Puff oder von der Witwe Baums«, befahl Mathias. »Aber nur die, die bei dem Eupener Bruch dabei waren!«
Picard bedankte sich mit einem Kopfnicken. Das vornehme Getue des Fremden reizte Mathias. Er fluchte.
Endlich lärmten die gesuchten Banditen vor der Tür und betraten den Schankraum. Sobald sie den Fremden sahen, wurden sie ruhig. Einer sagte: »Picard. Der große Picard!« Der Franzose lächelte und streckte Mathias die offene Hand hin: »Darf ich meine Waffe wiederhaben?«
Mathias entfernte das Zündhütchen und warf die Pistole dem Franzosen zu.
»Ich hab von dir gehört«, sagte Picard nachdenklich. »Du musst der Fetzer sein. Die Gefährten in Münster und Essen haben von dir erzählt.«
»Was willst du hier in Neuwied?« Mathias war geschmeichelt. Picard zuckte mit den Schultern. »Ich wollte den Müller abholen und zu diesem Treffen nach Schubbach reiten. Ich brauche neue tüchtige Männer.«
Am nächsten Tag hatte Mathias seine französische Uniform angezogen, und seine Stiefel glänzten. Er ritt mit dem Franzosen nach Schubbach. »Niemand weiß, wer das Treffen einberufen hat«, sagte Mathias. »Wenn alle in einem Ort zusammen sind, muss nur noch ne Kompanie Soldaten kommen und alle wie ne Hammelherde verhaften.«
Picard hielt sein Pferd an. »Mon ami, du hast Recht. Das Treffen kann eine geschickte Falle sein. Wir werden die Freunde warnen und schnellstens verschwinden.«
In Schubbach, einem kleinen Ort unterhalb von Beselich in der Nähe von Limburg, waren schon mehr als vierzig Männer eingetroffen. Am Brunnen wuschen einige ihre lehmverschmierten Stiefel. Andere saßen fröhlich pfeifend auf den Bänken vor den beiden Herbergen und reinigten ihre Waffen. In den Schankräumen grölten Betrunkene, und in den Hausfluren und Kammern kreischten und lachten die Weiber, die ihren Männern nach Schubbach gefolgt waren.
Kaum hatte sich die Ankunft der beiden Hauptmänner herumgesprochen, als alle auf dem Marktplatz zusammenliefen. Picard und Mathias wehrten die begeisterten Zurufe ab. »Sag du es ihnen, Fetzer!«, forderte ihn der Franzose auf. Mathias schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht vor so vielen sprechen. Ich hab noch nie ne Rede gehalten.«
Der Franzose lächelte und seufzte: »Dann werde ich die Aufgabe übernehmen.« Er richtete sich in den Steigbügeln auf. Die Männer schwiegen voller Erwartung.
»Mes amis , ihr seid verrückt. An einem Ort Zusammenkommen! Ihr Idioten, das kann doch eine Falle sein!«
Unter den Versammelten entstand Unruhe. »Hast du etwa Angst, Picard?« Ein anderer Mann grölte: »Ich lass mich von keinem Idiot schimpfen!«
Der Franzose hob die Hände: »Ich habe keine Angst um mich. Ich habe Angst um euch. Oder weiß einer von euch, wer zu dem Treffen eingeladen hat?«
Die Räuber schwiegen betroffen und sahen sich ratlos an. Dann brüllten sie durcheinander. Einige gaben dem Franzosen Recht, andere warfen ihm Feigheit vor. Picard rief in den Lärm: »Wer sich mir und dem Fetzer anschließen will, der kommt in einer Stunde zum Ortsausgang. Au revoir! « Der Franzose gab seinem Pferd die Sporen. Mathias galoppierte ihm nach.
Nach einer Stunde hatten sich sechs Männer am Ortsausgang eingefunden. Vier waren Mathias bekannt. Die anderen hatten mit Picard schon in Holland zusammen geraubt. Er stellte sie Mathias vor. Der eine war Mitglied in seiner französischen Bande, von dem anderen sagte er: »Das ist der Fleischmann von Utrecht.«
Mathias wusste nicht, was ein Fleischmann war. »Das ist eine Art Polizist. Er soll Räuber fangen und sie dem Gericht übergeben. Wie er das macht, ist egal. Er darf alles.« Picard nahm den breitschultrigen Mann in den Arm. »Er ist ein braver Kerl. Er hält zu mir. Er hat mich in Holland schon einige Male vor der sicheren Verhaftung bewahrt.«
Mathias nickte dem Fleischmann zu und prägte sich sein Gesicht ein.
»Die Gefährten streiten sich und ziehen ab«, berichtete einer.
»Die einen sagen, es sei eine Falle. Die anderen behaupten, ihr
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