Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
wollt nur den Zusammenschluss verhindern, weil ihr dann die Beute mit mehr Männern teilen müsst.«
Picard lachte. »Sollen sie sich streiten. Wichtig ist nur, dass sie so schnell wie möglich aus Schubbach verschwinden.«
Der Fetzer erbeutete mit dem Franzosen bei einem Überfall vier Louisdors. Doch als Mathias am nächsten Morgen aufwachte, war Picard mit seinem französischen Gefährten, dem Fleischmann von Utrecht und drei der vier Louisdors verschwunden. »Der feine Franzose war enttäuscht. Wir waren ihm wohl zu dreckig, dem Gockel!« Mathias war froh, ihn los zu sein, und versprach den vier Gefährten: »Wir gehn jetzt nach Wetzlar. Ich kenn da einen Hehler, der hat sicher was für uns.«
Sie mussten dem Hehler in Wetzlar einen Louisdor im Voraus bezahlen. Erst dann beschrieb der Mann ihnen das Haus eines sehr reichen Händlers in Maar bei Lauterbach. Zwei Tage waren die Männer unterwegs. Sie hatten kein Geld mehr und stahlen sich Hühner und Rüben. Vor dem Überfall in Maar wagten sie keinen Straßenraub mehr. Leise und hungrig schlichen sie in der Dunkelheit bis zum Haus des Händlers. Sie benutzten eine Leiter als Sturmbalken und rammten gegen die Haustür. Sie war offen. Mathias stolperte mit seinen Männern in die Wohnstube. Er hielt die Pistole in der Hand. Zehn entsetzte Gesichter starrten ihn an. Die hier versammelten Leute hatten rot geweinte Augen, sie trugen Kerzen in den Händen und waren schwarz gekleidet. Mitten in der Wohnstube stand auf dem großen Tisch ein offener Sarg. Der Tote lag friedlich mit gefalteten Händen in weißen Tüchern. Rechts und links neben dem Kopf brannten zwei große Kerzen. Mathias erfasste schnell die Situation, nutzte die Überraschung und den Aberglauben der Trauergäste, schnitt grässliche Grimassen und schrie wie ein teuflisches Tier. Die verstörten Leute schüttelten sich vor Grauen und flohen schreiend. Nur die Angehörigen klammerten sich an den Sarg des Toten. Mathias ließ sie an den großen Tisch binden. Schnell durchsuchten die Räuber das Haus.
Draußen setzte das Lärmen der Sturmglocke ein. Mathias fand den Geldsack, und nachdem er dem Toten die goldene Uhr aus dem Sarg genommen hatte, gab er das Zeichen zum Abrücken.
In diesem Moment erreichten die Dorfbewohner den Hof. Sie trugen Eimer mit Wasser in den Händen. Von überall her tönten Rufe »Feuer!« und »Wo brennt es?«
Mathias grinste und schoss eine Kugel über die Köpfe der Menge. Die Eimer wurden weggeworfen, und schreiend stürmten die Brandhelfer zurück ins Dorf. Sie stießen auf den Mann, den Mathias als Wache aufgestellt hatte. Einige Bauern griffen ihn und prügelten ihn zu Boden. Mathias hörte das Brüllen, lud seine Pistole neu und stürmte auf den Haufen zu. Er schrie laut und feuerte einen Schuss ab. Sofort ließen die Bauern von ihrem Opfer ab. Mathias konnte den verletzten Gefährten mit sich ziehen und band ihn auf das Pferd. Später hörten sie weit hinter sich die Verfolger, sahen ihre Wachslichter und Laternen. Sie zogen weiter, und schon von der nächsten Anhöhe aus konnten sie niemanden mehr sehen.
Sie teilten noch in der Nacht. Mathias riet seinen Männern, getrennt nach Neuwied zu gehen. Einer blieb bei dem Geprügelten zurück, die anderen machten sich einzeln auf den Weg. Mathias putzte seine Stiefel blank. Weil er noch nicht im französisch besetzten Gebiet war, knöpfte er den grauen Mantel bis zum Kragen zu, verdeckte so seine französische Uniform und trabte langsam auf den Hauptwegen nach Neuwied. Er wirkte trotz des Mantels wie ein Offizier. Immer wieder begegnete er Soldatentrupps, doch niemand vermutete in dem Reiter einen der gesuchten Räuber.
In Neuwied schloss Johann Müller den Freund in seine Arme. »Ich hab schon geglaubt, die Soldaten hätten dich in Schubbach verhaftet.« Johann hatte gehört, dass die Falle in Schubbach von dem neuen öffentlichen Ankläger in Köln organisiert worden sei. Mathias sagte: »Wir sind schlauer als dieser Hund. Uns schnappt der nicht!« Über seinen Ausflug nach Hessen berichtete Johann, dass die Bauern im Taunus noch nicht einmal so viel besäßen, um ihre Familien satt zu bekommen. Die Landesherren verlangten zu hohe Steuern und Pachtzinsen. »Da kannst du Mitleid kriegen, so arm sind die Leute.« Nur in den Flussniederungen, an den Handelsstraßen oder in den Städten gab es reiche Händler, aber hier waren zu viele Soldaten stationiert. Es lohnte nicht, den Hauptsitz der Bande zu verlegen.
Der erste
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