Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Brückenstück über das Wasser gezogen wurde, waren noch fest vertäut. Die Männer verbargen sich in Hauseingängen und hinter Kisten. So warteten sie auf die erste Fahrt der ›Fliegenden Brücke‹.
Nur drei Kumpane wollten keinen Umweg machen und wanderten auf direktem Weg nach Neuwied. Mathias ließ sie ziehen. Er selbst und Johann legten wieder die französischen Uniformen an. Sie sattelten ihre Pferde und ritten in leichtem Trab durch die steinigen Straßen von Deutz. An einer dunklen Ecke warteten sie, bis der Morgen graute. Jetzt gaben sie ihren Pferden die Sporen und galoppierten über den Fahrweg in Richtung Neuwied. Sie passierten vier Straßensperrungen, ohne angehalten zu werden. Mathias grüßte sogar die Soldaten, die ihnen Platz machten.
Alle erreichten Neuwied, nur die drei, die keinen Umweg machen wollten, wurden kurz vor Honnef auf einer Wegkreuzung verhaftet und ins Deutzer Gefängnis gebracht. Der Stadthauptmann übergab sie einen Tag später der Kölner Verwaltung, da sie ungültige Papiere eines französischen Departements besaßen.
November 1798
»Was gibt es, Diepenbach?« Anton Keil sah ärgerlich von einem Bericht auf, den er gerade erhalten hatte. Sein Sekretär meldete den Stadthauptmann von Deutz.
»Was will er?« Der öffentliche Ankläger nahm die erloschene Zigarre aus dem Mund. Diepenbach sagte eifrig: »Der Stadthauptmann hat uns doch die drei Banditen übergeben, deren Papiere gefälscht waren.«
Anton Keil rieb sich die große Nase und trat ans Fenster. Er sah über den kleinen Garten zu den Gemüsebeeten des Zollinspektors und dann auf die vergitterten Fenster des ›Kölner Hofs‹. Im Westflügel des Gasthauses hatte er alle Zimmer zu Zellen herrichten lassen und den Gebäudeteil mit Lohnwächtern besetzt. Diese Männer waren gewissenhafter als die städtischen Wachen, da sie nur Geld erhielten, wenn sie die Gefangenen bis zu ihrer Verurteilung zuverlässig bewachten. Anton Keil sagte langsam: »Diepenbach, irgendetwas stimmt nicht bei der Verhaftung dieser drei Männer. Vielleicht erfahre ich von dem Stadthauptmann, was ich vermute. Bring ihn herein und warte draußen.«
Der Stadthauptmann von Deutz grüßte militärisch.
Anton Keil erwiderte mit einem Kopfnicken und deutete auf einen Stuhl in der Nähe des Stehpultes. »Sie wollen mich sprechen?«
Der Besucher rückte den Säbelgurt zurecht. »Ich wollte mich nur erkundigen, ob auf die Ergreifung der drei Gefangenen eine Belohnung ausgesetzt war.«
Der öffentliche Ankläger lächelte, und seine schmalen Lippen zogen sich etwas nach unten. »Nein, es war nichts auf die Köpfe der Männer ausgesetzt. Es sind unbekannte, kleine Strauchdiebe. Ich werde sie bald wieder freilassen müssen.« Der Stadthauptmann polterte: »Die Burschen waren bei dem Überfall in Rösrath dabei.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ach, die ganze Neuwieder Bande wohnte doch in der ›Landskrone‹ und im ›Bensberg‹.«
Der öffentliche Ankläger stieß einen kurzen Pfiff aus. »Warum wurden denn die Männer erst in Honnef verhaftet? Und warum waren es nur drei?«
Der Polizeichef sah erschrocken auf den schlanken Mann, der sich fast uninteressiert die erloschene Zigarre wieder anzündete. Er sagte zögernd: »Ich hatte den Befehl zur Festnahme gegeben. Aber als meine Männer bei den Gasthäusern ankamen, waren alle Verbrecher schon auf und davon.«
»Sie wussten doch schon von der Anwesenheit der Bande, bevor der Überfall auf den Branntweinbrenner stattgefunden hatte.« Die Stimme Keils war schneidend und böse. »Ich habe leider über Sie keine Verfügungsgewalt. Ich werde auch keine Meldung machen, wenn Sie mir den Namen des Anführers nennen.« Der Stadthauptmann stemmte seinen massigen Körper aus dem Stuhl, sein Gesicht drückte Ärger und Angst aus. »Der Fetzer war der Anführer! Das ist der Größte von allen.«
»Wie sieht er aus?«
»Ich habe ihn noch nie gesehen.«
Anton Keil wandte dem Besucher den Rücken zu und sah wieder zum Fenster hinaus. »Sie können gehen.« Kaum hatte sich die Tür geschlossen, als er laut nach seinem Sekretär rief. »Diepenbach, schreibe den Stadthauptmann auf die Liste der korrupten Beamten. Ich bin sicher, dass er mit den Verbrechern ein Geschäft machen wollte, das aber nicht zu Stande kam.«
»Überall sitzen Männer, die mit den Verbrechern befreundet sind«, sagte Diepenbach. »Es wird schwer sein, gegen sie vorzugehen.«
Keil schlug mit der Faust gegen den Fensterrahmen: »Eines Tages
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