Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Straßburger zu rächen. Mathias warf sie aus der Herberge und drohte ihnen eine Kugel an, falls sie noch einmal das Haus des Belz betreten würden. Aber auch seinem Freund machte er Vorwürfe. Ernsthafter Streit zwischen den Räubern sei zu gefährlich.
Die beiden Freunde gingen nur noch gemeinsam durch die Straßen von Neuwied. Der Zorn der Gefährten hatte sich etwas gelegt, trotzdem war Johann Müller ständig auf der Hut.
Mitte September kehrten drei flämische Banditen bei Belz ein. Sie schlugen Mathias ein paar lohnende Überfälle vor. Er überlegte noch, welchen der Vorschläge er zuerst verwirklichen sollte, als der Älteste von den dreien ausrief: »Den größten Raub schafft keiner, auch keine fünfzig Kerle.«
Mathias knallte die Branntweinflasche auf den Tisch. »Wo gibt’s ein Haus, das ich nicht knacke?« Der Flame seufzte: »Kein Haus, Fetzer. Einen Wagen!«
Mathias stieß den Straßburger an: »Johann, hast du gehört? Der glaubt, wir kommen nicht an einen lumpigen Wagen ran!«
»Das ist keine Reisekutsche, Fetzer!«, sagte der Flame. »Ich mein den Goldtransport von Deutz nach Elberfeld.«
»Ach so, die Geldkutsche?« Mathias war aufgestanden. »An die hab ich noch nie gedacht.«
Der Mann berichtete, dass jede Woche der schwer bewachte Wagen von Deutz ins Bergische fuhr. »Bei Langenfeld übernachtet der Transport. Unter den Achsen sind Hunde angebunden. Wir haben vor zwei Monaten versucht, die Köter zu vergiften, aber wir sind noch nicht mal zehn Schritt an den Wagen rangekommen, da kläfften die schon.« Wehmütig sagte der Flame: »In einer Nacht würde man reich fürs ganze Leben.«
Mathias griff mit der linken Hand nach der Schulter des Freundes. »Keiner hat es geschafft, den Postwagen zu überfallen?«, sagte er leise. Seine breiten Nasenflügel zitterten. »Aber ich! Ich kann es.« Er reckte sich, stockte plötzlich, sah auf den Straßburger und sagte fast erschrocken: »Mit dir. Mit dir zusammen schaff ich es. Wir schaffen es!« Johann Müllers Augen glühten. Er schlug mit der Faust auf den Tisch: »Wenn es keiner kann, dann ist das für uns ein Kinderspiel!«
Die drei Flamen grinsten zwar, sagten aber nichts mehr.
Mathias stieg mit dem Freund nach oben in das Tapetenzimmer. »Wir brauchen Männer«, sagte Johann.
»Die Neuwieder hassen dich, die Schweine!« Mathias sprach mit leiser Stimme. »Aber die Idioten brauchen wir nicht.«
Der Straßburger diktierte dem Freund einen Brief an den Schiemann Engländer, der sich in Mainz aufhielt. Schiemann sollte einige Männer anwerben und mit ihnen nach Deutz zu ›Afromchen in der Gasse‹ kommen. Schon am nächsten Morgen schickten sie einen Boten nach Mainz. Die beiden Räuber verabschiedeten sich von ihren Frauen. Mathias flüsterte Christine ins Ohr: »Wenn ich zurückkomm, kauf ich dir Stiefel mit goldenen Sporen und für jeden Finger einen Ring.« Der kleinen Ursula versprach er, goldene Schuhe von einem Schmied anfertigen zu lassen.
Sie mieteten einen Kahn und ließen sich von einem Fischer den Rhein hinabfahren. Jeder hatte zweihundert Lütticher Dukaten unter dem Gürtel in einer Geldkatze um den Leib geschnürt. Mathias saß neben seinem Freund. Er streckte beide Arme in die Luft. »Johann!«, rief er, »wir bleiben zusammen. Uns kann keiner was.«
Mathias versprach: »Ich werde dir in Köln Huren zeigen. Wir werden auf dicken Brüsten liegen und Champagner saufen!« In der Nähe des Kunibertturms ließen sie sich ans Kölner Ufer setzen und gingen rasch durch die Eigelsteinpforte in die Weingärten, die sich in einem breiten Band an der Stadtmauer hinzogen. Sie erstreckten sich über den ganzen inneren Wall der Stadt. Mathias führte den Freund über kleine und einsame Pfade durch die Gärten bis zum Berlich, dann schritten sie rasch in die Schwalbengasse und klopften an die Tür der Düwels Trück.
Die alte Magd öffnete ihnen. Sie führte die Männer in die untere Wohnstube, in der Mathias vor drei Jahren von dem französischen Offizier verhaftet worden war. Die fette Hurenwirtin begrüßte ihn mit einem Juchzer und drückte ihn fest an ihren großen Busen. Sie schüttelte den Kleinen hin und her, dabei gluckste sie. Mathias kniff ihr in den Bauch. »Lass mir Luft!« Er befreite sich und zeigte auf den Straßburger: »Das ist mein bester Freund, der Johann. Er ist stark wie ein Stier.«
Die Düwels Trück kreischte und befühlte dem Straßburger die Oberschenkel. Johann knurrte und schlug ihr fest auf den Hintern.
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