Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Überfall, den Mathias und Johann wieder gemeinsam ausführten, galt einer schwer zugänglichen Mühle bei Reichenberg.
Dieser Raub versetzte das ganze Rheintal in Aufregung. Mathias hörte, dass bei Belz in Neuwied Hausdurchsuchungen vorgenommen wurden. Johann und er beschlossen, nach Deutz zu gehen. »Da vermuten sie uns jetzt nicht!«, hoffte Mathias. Sie mieteten sich bei Mathes Spielmanns ein.
In den folgenden Wochen verübten sie zwei Einbrüche in Mülheim bei Köln. Der erste galt der Tuchhandlung des reichen Conrads. Gemeinsam mit Anton Heinze stiegen die beiden Räuber über eine Leiter zu dem Obergeschoss des Hauses, zerschlugen eine Fensterscheibe und kletterten in das Lager. Der Lärm hatte den Besitzer geweckt.
Conrads versuchte, mit einem Stock gegen die Einbrecher vorzugehen, aber er wurde mit einem Schlag zu Boden gestreckt. Heinze band den Händler an ein Regal, vergaß aber, ihm die Augen zu verbinden.
Die Räuber erbeuteten wertvolle Tuchballen und brachten sie auf einem Handkarren in ein Kornfeld zwischen Mülheim und Buchheim. Erst in der folgenden Nacht transportierten sie die Beute nach Siegburg. Sie verkauften den größten Teil der Ware an den Hehler Afrom und den Rest an die Bendorfer Brüder Herz. Auf dem Rückweg machten die drei Banditen in dem Gasthaus von Porz halt. Sie tranken Branntwein und würfelten.
September – Oktober 1799
Gleich am nächsten Morgen nahm der Tuchhändler Conrads die Verfolgung der Diebe auf Er hatte sich die Gesichter genau eingeprägt. In Köln und Deutz suchte er bei den kleinen Händlern nach seinen Stoffen. ›Mit den Tuchballen finde ich auch die Spur der Verbrecher‹, sagte er sich. Am zweiten Tag fragte er in Porz bei allen Juden und fliegenden Händlern nach seiner Ellenware, aber niemand besaß solche wertvollen Stoffe. Bevor er sich enttäuscht auf den Heimweg machte, ging er ins Porzer Gasthaus. Da sah er die drei fröhlich an einem Tisch sitzen. Weder ein Soldat noch eine Wache waren in der Nähe. Mutig ging Conrads auf die Banditen zu.
Mathias erkannte den Händler sofort. Es war zu spät, um zu fliehen. Schnell gab er dem Straßburger und Anton Heinze unter dem Tisch einen warnenden Tritt.
Conrads zwang sich zu einem Lachen und fragte, ob er sich zu den Männern setzen dürfe. Der große Schwarzhaarige schob ihm einen Stuhl hin. Der Händler bot den dreien von seinem Schnupftabak an und lud sie zu einer neuen Flasche Branntwein ein. Er prostete ihnen zu und forderte sie auf, kräftig zu trinken. Er selbst nahm immer nur einen kleinen Schluck. Mathias gab den Kameraden durch ein schnelles Handzeichen zu verstehen, dass sie nichts von dem Schnaps trinken sollten. Ohne dass es Conrads auffiel, leerten die Räuber ihre Gläser auf den Boden oder in ihre Hemdkragen. Sie lachten aber immer lauter und spielten die Betrunkenen. Conrads glaubte, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, an dem die Diebe ihm nicht mehr entwischen könnten. Er stand auf murmelte, er müsse aus seinen Satteltaschen noch etwas Tabak holen, und verschwand durch die Vordertür.
Kaum hatte er das Wirtshaus verlassen, als Mathias die Zeche bezahlte und mit den beiden Gefährten durch den hinteren Ausgang hinausschlich. Sie lachten noch lange, während sie nach Deutz zogen.
Zur selben Zeit rannte Conrads zum Bürgermeister von Porz. Er beschwor den dickbäuchigen Michael Stichen, gemeinsam mit einer Wache in das Gasthaus zu gehen und die drei Diebe zu arretieren. Der Bürgermeister rief nach der Wache. Dann eilten sie zu dritt in die Herberge. Doch als sie in den Schankraum stürmten, waren die Räuber längst nicht mehr da. Conrads setzte sich mutlos an einen Tisch und stützte den Kopf zwischen die Hände. »Geh nach Köln und melde dem öffentlichen Ankläger deinen Verlust«, riet der Bürgermeister. »Der kann dir vielleicht helfen.«
Nach dem Einbruch in die Mülheimer Weinhandlung in der Wallstraße und einem Überfall in Schwarzburg kehrten die Räuber nach Neuwied zurück. Mathias blieb vier Tage mit Christine in ihrer Kammer. Belz musste das Essen und den Branntwein vor die Tür stellen. Am fünften Tag zechte er mit seinem Freund, Hilde und Christine in der Schankstube. Andere Gefährten kamen dazu. Das Fest dauerte fast vierzehn Tage. Dann geriet Johann mit einigen der Männer in Streit. Im Branntweinrausch prügelte er einen Gefährten und brach ihm beide Arme. Das war das plötzliche Ende der langen Feier. Die Freunde des verletzten Mannes schworen, sich an dem
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