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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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langsam aus dem Bett der Kinder. Er öffnete die Kammertür und sah lachend in die überraschten Gesichter der Männer. »Ich verschwind noch heute Nacht«, sagte er leise, um die Kinder nicht zu wecken.
    Mathias verließ mit dem Vetter aus Düsseldorf eine Stunde später den Unterschlupf Sie wanderten nach Schwarz-Rheindorf bei Bonn und kehrten in der Herberge eines Hehlers ein.
    Am 28.   Januar im Jahre 1801 trafen sich in Wetzlar die Abgesandten der zwölf umliegenden Fürstentümer. Anlass der Konferenz waren die immer weiter um sich greifenden Raubzüge in den Landern zwischen Rhein, Lahn und Nidda. Die Bevollmächtigten einigten sich auf drei neue Verordnungen. Danach mussten die Dorfbewohner, wenn sie Lärm und Schüsse bei ihren Nachbarn hörten, diesen unverzüglich zu Hilfe eilen, soweit es in ihren Kräften stand. Bei unterlassener Hilfeleistung drohten hohe Geldstrafen. Zum anderen beschlossen die Beauftragten, dass ein Verbrecher nach seiner Ergreifung nicht an das Land ausgeliefert werden musste, in dem er die größten Straftaten verübt hatte. Er konnte an Ort und Stelle für alle begangenen Verbrechen abgeurteilt werden.
    Der wichtigste Beschluss aber war das neue Passgesetz. Hierzu erließen die Länderbeauftragten unter anderem sieben wichtige Punkte:
    Der Pass musste im Heimatort des Antragstellers ausgestellt werden.
    Die Pässe sollten auf einem einheitlichen Formular ausgestellt werden und mit einem Siegel oder der Unterschrift des Ausstellers gezeichnet sein.
    Der Pass sollte nur für eine begrenzte Zeit gültig sein.
    Wenn der Antragsteller schreiben konnte, so musste er den Pass selbst ausschreiben, damit bei einer Kontrolle die Handschrift verglichen werden konnte.
    Durchreisende Fremde waren verpflichtet, ihren Pass vorzuzeigen. Auf dem Pass mussten die Reiseroute und die einzelnen Stationen angegeben sein. Falls der Fremde sich mit dem Eintreffen bei einer Station verspätet hatte, so sollte er über die Verzögerung genau Rechenschaft ablegen müssen.
    Wollte ein Fremder einen neuen Pass beantragen, konnte dieser nicht von der örtlichen Behörde, sondern nur von der obersten Landesbehörde nach gründlicher Überprüfung der Person ausgestellt werden.
    Jedes Ausstellen eines neuen Passes musste in der Frankfurter Reichspostamtszeitung und im Reichsanzeiger veröffentlicht werden.
    Anton Keil hielt den Beschluss der Konferenz von Wetzlar in den Händen. Während er rasch hin und her ging, las er seinem Sekretär laut jeden Punkt der Verordnung vor. Zum Schluss sagte er: »Diepenbach, wenn sich jetzt unsere französische Verwaltung diesem Gesetz anschließt und sich für eine Zusammenarbeit mit den Behörden der deutschen Staaten entscheiden kann, dann werden wir die Verbrecher jagen. Wir könnten sie verfolgen von Arnheim bis Frankfurt, rechts oder links des Rheins und in die entlegensten Staaten des Reiches, bis nach Königsberg.«
    Diepenbach starrte seinen Vorgesetzten erstaunt an. So begeistert hatte er den sonst so disziplinierten und besonnenen öffentlichen Ankläger noch nie erlebt. Anton Keil diktierte seinem Sekretär einen langen Brief an den französischen General-Commissaire der neuen Rhein-Departements, Jean Bon St.   André. Er legte ihm seine Pläne dar und fügte die neuen deutschen Verordnungen bei.
    Der Fetzer hielt sich in den ersten Monaten des Jahres 1801 in Neuwied auf Die Geschwüre an Hals und Oberschenkel verheilten schlecht und blieben als dunkelrote Schwellungen zurück. Mathias hatte gehört, dass der gefangene Overtüsch von Köln nach Lüttich gebracht worden war. Und dann erzählte ein Scherenschleifer, dass der rote Augustin Overtüsch schon im Januar in Lüttich verurteilt und hingerichtet worden war.
    Nach dem geglückten Überfall in Volkhoven, den die ganze Neuwieder Bande im Februar unter der Führung von Mathias verübt hatte, war Karl Heckmann mit einigen Kumpanen in Deutz geblieben. Ein Wirt verriet ihn, und in derselben Nacht war Heckmann von Polizeikommissar Josef Schöning verhaftet worden. Der öffentliche Ankläger selbst hatte bestimmt, dass der tobende Gefangene in den Frankenturm gesperrt werden sollte.
    Über seinen Ausbruch aus dem Turm hatte der Kumpan wenig erzählt. Der breitschultrige Karl Heckmann war aufgewühlt und zitternd in der Herberge angekommen. Er hatte nur gerufen: »Ich bin wieder frei.« Er ließ sich von den Kumpanen ein paar Taler geben, kaufte sich eine Jacke und zog Anfang Mai mit einer Pistole, Pulver und

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