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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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warten. In Neuwied müssen wir unbemerkt zum Haus des Stadthauptmanns kommen.« Der öffentliche Ankläger bot dem Kommissar und den beiden Sergeanten von seinen Zigarren an. Die Männer rauchten schweigend.
    Zwei Stunden später rollte der geschlossene Reisewagen durch die Straßen von Neuwied. Schöning seufzte erleichtert: »Wie herrlich! Das glatte Pflaster dieser Stadt!« Sie hielten vor einem großen Haus in der Nähe des Marktplatzes. Der öffentliche Ankläger verließ mit dem Kommissar die Kutsche und eilte in das Haus des Stadthauptmanns.
    Picard zündete die großen, rußenden Kerzen an und schlug den drei Kumpanen ein Wetttrinken vor. Er ließ zehn kleine Gläser voll gießen und prahlte damit, dass er fünf Gläser schneller austrinken könnte als irgendeiner von ihnen. »Mes amis , ich werde mich auch bei diesem Wettstreit als euer Offizier erweisen.«
    Wetten wurden gegen ihn abgeschlossen, und das Geschrei der Betrunkenen nahm zu. Die beiden Spieler ließen sich durch den Lärm nicht stören. Mathias machte das Würfeln Spaß. Seine Glückssträhne dauerte immer noch an. Weyers fluchte leise vor sich hin.
    Anton Keil zeigte seine Vollmacht und bat um Unterstützung durch die Bürgerwehr. »Es müssen tapfere und starke Männer sein«, forderte er mit leiser Stimme. Der Stadthauptmann ließ zehn ausgesuchte Männer der Stadtwehr antreten. Er informierte Anton Keil über den zweiten Unterschlupf der Bande. »Bei der Witwe Baums wohnen viele undurchsichtige Gestalten, die ich schon lange im Auge habe. Aber solange sie hier in der Stadt ruhig sind und die Bürger nicht belästigen, kann ich leider nichts gegen sie unternehmen.«
    Anton Keil wusste von seinem Spitzel, dass die Bande sich seit drei Tagen nur in der Herberge des Belz aufgehalten hatte. Weil er aber ganz sichergehen wollte, schickte er einen Sergeanten zu dem Haus der Witwe, um es beobachten zu lassen.
    In den späten Abendstunden umstellten die Beamten den Unterschlupf der Bande. Der öffentliche Ankläger, Schöning und der Sergeant Schmitz klopften an die Eingangstür. Belz öffnete. Er lächelte nicht mehr, als ihm ein Pistolenlauf in den Bauch gedrückt wurde. Ein schwarz gekleideter Mann sagte knapp: »Wenn du Lärm machst, schieße ich.« – »Ich hab nichts getan«, flüsterte der Wirt. Der Mann in dem dunklen Umhang knurrte: »Dir geschieht nichts, ich will nur, dass du keinen Lärm machst.«
    Der vor Angst zitternde Belz wurde zu einer Gruppe von Männern der Bürgerwehr hinter eine Hecke gebracht.
    Der öffentliche Ankläger überzeugte sich schnell, dass sich niemand im Schankraum aufhielt. Er stieg mit Schöning und Schmitz über die Treppe nach oben. Aus einer Kammer dröhnten das Gelächter und Grölen betrunkener Männer. Anton Keil hielt seine Pistole in der Faust. Kommissar Schöning hatte sogar in jeder Hand eine Pistole, und der Sergeant hatte das Gewehr schussbereit in der Armbeuge. Jetzt nickte der öffentliche Ankläger dem Kommissar zu. Schöning stieß die Kammertür mit einem wuchtigen Tritt auf und stürzte in den Raum. Er schrie: »Der Erste, der sich von seinem Platz rührt, ist tot.«
    Anton Keil kam ihm nach, der Sergeant Schmitz stand in der Tür und hatte das Gewehr an die Schulter gehoben. Im ersten Augenblick verstummte der Lärm, doch dann brabbelten die Betrunkenen vor sich hin.
    Mathias starrte auf den Mann im schwarzen Umhang. Er gab Weyers ein kleines Zeichen mit dem Finger. Es dauerte lange, bis Weyers begriff.
    Anton Keil erfasste die anwesenden sechs Männer mit einem Blick. Der gesuchte Heckmann befand sich nicht in der Kammer. Der öffentliche Ankläger vermutete, den einen oder anderen Verbrecher des Daadener Überfalls hier anzutreffen.
    »Eure Pässe! Zeigt mir eure Pässe!«
    Unter den Männern entstand Unruhe. Picard nahm umständlich ein Papier aus seiner Tasche und reichte es dem hageren Mann. »Voilà, mon passeport!«, lallte er.
    Mathias gab Weyers wieder ein leichtes Zeichen.
    Während der dunkle Mann sich mit dem Ausweis des Franzosen beschäftigte, griff Mathias langsam nach dem Hocker unter sich und schleuderte ihn blitzschnell gegen die beiden großen Kerzen auf dem Tisch in der Mitte des Raums. Der Schemel traf, die Kerzen stürzten um und verlöschten. Im selben Moment drückte Weyers die niedrige Tapetentür auf und huschte durch den Spalt. Mathias folgte sofort. Sie drückten die Tür vorsichtig zu. Aus der Kammer drangen Flüche und ein Befehl: »Sergeant, lassen Sie niemanden

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