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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Taschentuch umwickeltes Haupt, als ihr Wagen neben
     dem Schafott zum Stehen kam. Sie würgte entsetzt, zum ersten Mal dankbar, nichts im Magen zu haben.
    «Los!», rief Croutignac zwei Gendarmen zu. «Bringt sie rauf!»
    Marie-Provence riss panisch an ihren Fesseln. Ihre Versuche, sich zu wehren, wurden mit Leichtigkeit von den zwei kräftigen
     Männern in Uniform unterbunden, die sie vom Karren zerrten. Kurzerhand wurde sie die Treppe hinaufgeschleift.
    Auf einmal erklang ein alles übertönender Schrei. «Marie!»
    Marie-Provence schnellte herum. Da, eine Bewegung, ein Reiter in der Menge   … «André!», brüllte sie. Die Männer packten sie fester.
    Der Reiter hieb trotz seiner bandagierten Schulter so kräftig auf das Pferd ein, dass sich das Tier aufbäumte. Die Menschen
     schreckten vor den ausschlagenden Hufen zurück.
    «Sanson, binde die Gefangene auf die Wippe!», befahl Croutignac.
    Der Angesprochene, der einen bespritzten Arbeitskittel über seiner Kleidung trug, runzelte die Stirn. «Warum die Eile, citoyen?
     Wer bist du über   …»
    |266| Andrés Pferd bahnte sich in wilden Sprüngen seinen Weg durch das Meer von Menschen, das Gesicht des Reiters verzerrt vor Angst
     und Wut. Die Zuschauer kreischten auf und machten hastig Platz.
    «Haltet ein!», brüllte André.
    «Nun mach schon, binde sie fest!», herrschte Croutignac den Henker an.
    Dieser rührte sich nicht, sondern kreuzte die Arme über der Brust. «Nicht ohne Befehl des Tribunals!», sagte er.
    Croutignac zerrte Marie-Provence zu dem senkrechten Tisch, der dazu diente, den Kopf der Verurteilten in die Einbuchtung unter
     das Fallbeil zu führen. Marie-Provence schrie, als er sie auf die feuchtrote Holzfläche pressen wollte, biss und trat. In
     dem Augenblick hatte Andrés Pferd das Schafott erreicht. Er sprang aus dem Sattel und rannte die Treppe hoch.
    «Lass sie los! Auf der Stelle!»
    Croutignacs Gesicht verzerrte sich. Mit einem unerbittlichen Griff riss er Marie-Provence zurück, um sie mit Schwung auf den
     Tisch zu schmettern. Ein Entsetzensschrei ging durch die Menge. Ein Griff von Croutignac kippte die Tischplatte in die Waagerechte.
     Das Fallbeil schwebte jetzt genau über Marie-Provence’ Nacken. Sie brüllte und weinte vor Angst. Im selben Augenblick traf
     Andrés Faust Croutignac, und der Mann flog zu Boden. André stemmte ein Knie auf dessen Rücken, riss seinen Kopf an den Haaren
     hoch und hielt ihm ein Blatt vors Gesicht.
    «Hier, lies!», herrschte er Croutignac an.
    Der presste die Lippen zusammen.
    «Lies es laut vor, du Hund! Lass es alle hören!», donnerte André. «Lies es, das Wort Begnadigung!»
    Die jubelnde Antwort der Menge war ohrenbetäubend.

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    |267| Paris
    DIE VERSIEGELTE ZELLE
    |269| 9.   KAPITEL
    Fructidor, Jahr II
    August 1794
     
    «Glaubst du, dass er kommen wird?», fragte Marie-Provence.
    Rosanne sah von der Kiste auf, die sie in die Mitte ihrer alten Küche gezogen hatte und in der sie bereits einen Teil ihres
     Hausrats verstaut hatte. «Natürlich wird er das», antwortete sie und beobachtete Marie-Provence, die angestrengt aus dem Fenster
     der Kirche spähte und dabei ihre Finger regelrecht verknotete. Sie musste lächeln. «Wie kannst du daran zweifeln, nach allem,
     was er für dich getan hat?»
    Sie stemmte die Hände in die Hüften, streckte den Rücken und sah sich zufrieden um. Es war ein unerwarteter Segen, ihre Habseligkeiten
     zusammenpacken zu können. Als sie nach der letzten Auseinandersetzung mit Georges geflüchtet war, hatte sie geglaubt, nie
     mehr nach Sartrouville zurückzukehren. Doch jetzt, da ihr Mann vor dem Tribunal öffentlich eine Niederlage hatte hinnehmen
     müssen, brauchte sie nichts mehr zu befürchten. Sie war im Recht und konnte jederzeit einen Gendarmen zu Hilfe holen, wenn
     Georges ihr auflauerte. Seitdem fühlte sie sich frei und stark. Mit dem, was sie hier einpackte, konnte sie andernorts ein
     eigenes Gasthaus eröffnen. Das alles hatte sie Marie-Provence zu verdanken. Ein warmes Gefühl überfiel sie. Sie trat zu ihrer
     Freundin und legte ihr die Hände auf die Schultern.
    «So kenne ich dich gar nicht. Warum so verzagt?», fragte Rosanne.
    «André und ich haben uns gestritten. Während unseres letzten Gesprächs, vor   …», Marie-Provence stockte, presste kurz die Lippen aufeinander und fuhr dann fort: «Vor meiner Begnadigung.» Sie warf Rosanne
     einen schuldbewussten |270| Blick zu. «Es sind hässliche Worte gefallen. Ich

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