Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
Vom Netzwerk:
und fiel auf die Knie, griff die rote Schnur und zog.
     
    Die Welt war Schmerz, Lärm und Kälte.
    Das Erste, was André spürte, als er erwachte, war ein dumpfes Schlagen. Jemand hatte seinen Schädel auf einen Amboss gelegt
     und ließ in schwerer Regelmäßigkeit seinen Hammer darauffallen. Gleichzeitig presste derjenige ein glühendes Eisen auf seinen
     rechten Wangenknochen. Er versuchte, seinen Schädel vom Amboss zu ziehen, und ein blitzartiger Schmerz durchzuckte seinen
     Nacken. Er stöhnte, hob mühevoll den Kopf, öffnete die Augen – und stieß ein angsterfülltes Keuchen aus. Er hing über einem
     Abgrund! Die Welt begann sich zu drehen, drohte zu kippen, und erneut griff die Ohnmacht nach ihm. Er schloss krampfhaft die
     Augen, seine Hände suchten Halt, griffen ins Nichts. Ein scharfes Stechen durchfuhr seinen Brustkorb bei jeder Bewegung –
     als wenn er in einem eisernen Korsett stecken würde, das jeden Luftzug zur Qual machte.
    Der Fallschirm!
    Die Erinnerung kehrte sprunghaft zurück. Bilder wechselten in rascher Reihenfolge unter seinen geschlossenen Lidern. Das Fest.
     Der Start. Die verhedderte Bodenverankerung. |393| Marie-Provence. Ihre panische Angst   … Die Zinnen des donjon, die immer näher schwebten. Seine ersten Zweifel. Der Soldat, der am Boden das neue Seil verankerte.
     Die Erkenntnis. Schüsse – und nichts mehr.
    Mit noch immer geschlossenen Augen tastete er seinen Körper ab. Das, was ihn am Atmen hinderte, war das Gestell, in dem er
     hing. Laut Plan hätte er längst abgesprungen sein sollen. Kein Wunder, dass ihm alles weh tat – es war nie vorgesehen gewesen,
     dass er so lange in diesen Riemen hing. Die ungewohnte Stellung erklärte seine Atemnot und die Taubheit in seinen Beinen,
     aber nicht die rasenden Kopfschmerzen und die Ohnmacht. Er fasste vorsichtig an die brennende Stelle und zuckte zusammen.
    Schließlich zwang er sich, die Augen einen Spalt zu öffnen. Erfreut stellte er fest, dass die Welt zwar atemberaubend weit
     weg war, aber nicht mehr spiralförmig um ihn herumwirbelte. Seine rotglänzenden Finger allerdings bestätigten seine Befürchtungen.
     Er war getroffen worden. Wahrscheinlich nur ein Streifschuss, sonst würde er jetzt nicht mehr darüber nachdenken können. Vorsichtig
     bewegte er seine Glieder. Der Schmerz in seinem Nacken ließ allmählich nach, auch die Taubheit seiner Füße und Unterschenkel
     wich einem heftigen Kribbeln. Doch seine Kopfschmerzen marterten ihn, und das Ziehen in seinem Brustkorb wurde immer unerträglicher.
     Er musste hier raus. Aber wo waren sie überhaupt?
    Die Straßenzüge unter ihm waren ihm unbekannt. Doch wenn der Wind nach wie vor aus Südwest kam, gehörten die Gebäude unter
     ihnen dem Faubourg Saint Martin an, und sie hatten die Stadtgrenzen bereits hinter sich gelassen. Zwei Dutzend Kavalleristen
     fielen ihm auf, die im Galopp dahinsprengten, ohne Rücksicht auf Menschen und Verkehr. Immer wieder sahen die Männer zu ihnen
     auf. Sie verfolgten sie offenbar.
    Wo will sie hin?
Doch das war keine zulässige Frage, und er verbannte sie im selben Augenblick wieder. Wichtig war nur das Ende seiner Qualen,
     und das hieß, baldmöglichst |394| aus diesem Gestell zu kommen, indem er seinen Absprung hinter sich brachte. Er hatte keine Ahnung, wie er in seinem Zustand
     einen solchen Sprung überstehen sollte, doch es gab keine andere Alternative. Irgendwann würde sie den Ballon zu Boden bringen,
     und wenn er dann noch hier hing, würde er sich in Windeseile sämtliche Knochen brechen.
    Der Haken, der den Fallschirm am Korb hielt, musste geöffnet werden. Sein Blick lief nach oben, bis zum Schirm − und sein
     Herz begann zu rasen. Ungläubig starrte er auf den Holzring, der den Schirm geöffnet halten sollte. Oder vielmehr auf das,
     was davon noch übrig war. Lange, messerscharfe Splitter waren ihm abgeborsten und hatten sich zum Teil in die Schirmseide
     gebohrt. Der Schirm war nicht mehr zu gebrauchen.
    Sein erster Gedanke war, dass seine Konstruktion der Flughöhe und der langen Flugzeit wohl nicht gewachsen gewesen war. Doch
     dann wurde ihm klar, dass der Ring nur durch Gewaltanwendung so zerfetzt sein konnte.
Eine Kugel.
André stieß einen Wutschrei aus. Hätte der Schütze seine Arbeit wenigstens gründlich gemacht, dann hätte er es jetzt hinter
     sich!
    In dem Augenblick fiel ihm auf, dass das Ende des roten Signalseils neben seinem Kopf hektisch hoch und runter hüpfte.
    «André? André, kannst

Weitere Kostenlose Bücher