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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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sich in dem kleinen Vogelkäfig verhakt. Seine Augen folgten jeder
     Bewegung der drei gefiederten Tiere. Ach ja, die Tauben   …
    Marie-Provence warf einen Blick über den Korbrand. Ob man sie dort unten verfolgte? Der Ballon war weithin sichtbar   … Sie riss die Türen des außen am Korb befestigten Käfigs auf und entließ die Vögel in die Freiheit, die eigentlich Andrés
     Sprung hatten begleiten sollen. Nur die drei Brieftauben neben dem Kind blieben zurück. Federn wirbelten durch die Luft, als
     die weißen Vögel sich mit lautem Flügelschlagen in den Himmel erhoben.
    Die Welt zu Marie-Provence’ Füßen bot ein grandioses Schauspiel. Felder in allen Schattierungen breiteten sich unter dem Korb
     aus wie Flickenteppiche, zackig gesäumt von Straßen und Wegen und verziert von schillernden Mäandern der Wasserarme. Die Menschen
     waren auf Ameisengröße geschrumpft. Ob Soldaten unter ihnen waren, konnte Marie-Provence nur noch erahnen, und ob sie dem
     Ballon besondere Aufmerksamkeit schenkten, entzog sich ihrem Beurteilungsvermögen gänzlich. Marie-Provence war überrascht,
     wie hoch der Ballon unbemerkt gestiegen war. Auf jeden Fall höher als während ihres ersten Fluges, während der Fête de l’Être
     Suprême.
    André riss sie aus ihren Gedanken: «Wo hast du vor, zu landen?» Er stand mit gekreuzten Armen an den Korbrand |400| gelehnt und musterte sie. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, er wirkte unnahbar und fremd.
    Heftiges Verlangen nach ihm überfiel sie.
Wie ich ihn liebe! Mit jeder Faser meines Selbst.
Ihre Liebe war der Grund, weshalb sie nie wirklich die Wahl hatte. Auf André Rücksicht zu nehmen, hätte bedeutet, egoistisch
     zu handeln. Denn sein Glück war auch ihres. Wären ihre Gefühle für André schwächer gewesen, hätte sie vielleicht länger über
     das nachgedacht, was sie ihm antat.
    «Bei dieser Windrichtung ist die Landung so nahe wie möglich von Dammartin vorgesehen», sagte sie tonlos.
    «Dann wird es Zeit, den Schirm abzuwerfen.»
    Der Schirm! Wie hatte sie diese Gefahr übersehen können? Mit dem vor Gurten und Fangseilen nur so strotzenden Fallschirm am
     Korb würden sie mit Sicherheit eine Bruchlandung erleiden.
    «Ja, natürlich. Danke.»
    «Nichts zu danken. Erfreulicherweise scheinen sich unsere Interessen in diesem Punkt wenigstens zu decken.»
    Sie sah ihn an. Ihr Herz schlug bis zum Hals. «Vielleicht solltest du dir überlegen, ob es der einzige Punkt bleibt.»
    «Was meinst du damit?»
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und antwortete: «Ob du es willst oder nicht, du giltst ab jetzt als unser Komplize. Die
     Flucht von Charles und mir ist bestens organisiert. Wenn du dich uns anschließt, wirst du den Häschern von Barras entkommen.
     Und du könntest zu einem der Pfeiler des neuformierten Königreiches werden.»
    André schüttelte heftig den Kopf. «Es ist wirklich unfassbar! Glaubst du etwa selbst an das, was du da sagst?» Erregt zeigte
     er auf das am Boden kauernde Kind. «Bist du wirklich so naiv anzunehmen, dass dieser Junge jemals etwas anderes sein wird
     als ein Spielball in den Händen skrupelloser Machthungriger? Aus einem umgekippten Baumstumpf sprießt kein kräftiger neuer
     Baum.»
    «Gib ihm wenigstens eine Chance! Oder besser noch: Bring deine Ideen ein! Sorg selbst für Neuerungen!»
    |401| «Für wen? Für Leute, für die Ehrlichkeit und Treue nur leere Worte sind? Die Dankbarkeit nicht kennen und notfalls über Leichen
     gehen, um ihre Ziele zu erreichen?» Sie errötete unter den Vorwürfen, aber André fuhr ungerührt fort: «Tut mir leid, Marie,
     ohne mich. Das würde nicht funktionieren. Ich habe es monatelang nicht wahrhaben wollen, doch der heutige Tag hat mir die
     Augen geöffnet. Meine republikanischen Prinzipien harmonieren nicht mit deinen royalistischen Werten.»
    Sie bemühte sich, sachlich zu bleiben. «Du bist wütend und verletzt, André, das verstehe ich nur zu gut. Ich verlange nicht
     von dir, dass du meine Beweggründe verstehst. Oder auch, dass du uns zugute hältst, dass deine jetzige Anwesenheit in diesem
     Korb so nicht geplant war und wir auch nie vorhatten, dich als Verräter der Republik dastehen zu lassen. Ich möchte nur, dass
     du unserer Bewegung eine Chance gibst.» Marie-Provence erschrak, als sie die Auswirkung ihrer Worte auf Andrés Gesicht verfolgte.
    Er ballte die Fäuste. «Du hast mir seit dem ersten Augenblick misstraut, Marie-Provence. Und daran hat sich nie etwas geändert.
    

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