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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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du mich hören?»
    Das Hämmern in seinem Schädel wurde zu einem rasenden Stakkato. Er schloss erneut die Augen. Blieb lange Zeit stumm. «Ja,
     ich höre dich», antwortete er schließlich.
    «Gott sei gelobt!», erklang es dumpf. Weitere, undeutliche Geräusche ertönten von oben. Erst nach geraumer Zeit hörte er wieder
     ihre Stimme. «Bist du verletzt? Brauchst du Hilfe?»
    Ihr sorgenvoller Ton war so fehl am Platz, dass ihn die Lust packte, sein Messer zu ziehen und die Gurte zu kappen, nur um
     ihn nicht mehr hören zu müssen. «Danke für deine Fürsorge. Nein, ich glaube nicht, dass es noch irgendetwas gibt, was du für
     mich tun könntest», antwortete er sarkastisch.
    |395| «Soll ich   … soll ich das Seil lösen?», fragte sie, und aus dem veränderten Klang ihrer Stimme schloss er, dass sie sich über den Korbrand
     hinabbeugte. Kurz darauf stieß sie einen Schreckensruf aus. «André, der Schirm ist beschädigt, etwas steckt in der Seide!
     Du kannst nicht springen!»
    Diese Feststellung war nichts, worauf es sich gelohnt hätte, zu antworten. André sparte lieber seine kurzen, schmerzvollen
     Atemzüge. Er versuchte, sich Erleichterung zu verschaffen, indem er sich in seinem Gestell hochzog. Für ein paar Sekunden
     holte er befreit Luft. Doch die Stellung war nicht lange durchzuhalten, und schon bald glitt er mit einem ersten Anflug von
     Verzweiflung erneut in seinen selbstgebauten Käfig zurück.
    «Mon Dieu, André, was machen wir jetzt nur?»
    Auf einmal wurde André wütend.
Wir?
Wie konnte sie ein Wort in den Mund nehmen, das für alle Zeiten seine Bedeutung verloren hatte? Etwas Dunkles, Kraftvolles
     regte sich in ihm. Gefühle, deren Existenz er bisher nicht geahnt hatte. Zorn. Rachsucht. Übermächtige Wut.
    Wie auch immer der Tod ihn ereilte, André würde nicht in diesem Gestell auf ihn warten. Wenn er nicht springen konnte, musste
     er eben klettern. «Befestige die Strickleiter, und wirf sie runter!», rief er hoch. «Ich komme zu dir rauf!»
    «Die Strickleiter? Willst du sie etwa in dieser Höhe hinaufsteigen? Aber das ist doch schierer   …»
    «Tu, was ich dir sage!», donnerte er.
    Kurz darauf entrollte sich die Leiter vor seinen Augen.
     
    Es war schwierig, die Sprossen zu erreichen, die wegen des leicht aufgespannten Schirms außerhalb seiner Reichweite baumelten.
     Doch indem er in seinem Gestell hin und her pendelte, gelang es ihm, sie mit seinen Stiefelspitzen heranzuziehen. Danach begann
     eine knifflige und waghalsige Arbeit: Er musste die Schnallen lösen, die seine Gurte zusammenhielten, sich aus dem Gestell
     und auf die schwankende Strickleiter hieven.
    Die Felder, die sich inzwischen überall unter ihnen erstreckten |396| und die nur noch ab und zu von einem Dorf unterbrochen wurden, hätten einen idealen Landeplatz geboten – wenn er noch einen
     intakten Schirm besessen hätte. So aber versuchte er mit aller Kraft, den Abgrund, der unter ihm vorbeizog, nicht zu beachten.
     Ein erneuter Schwindelanfall war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Stattdessen konzentrierte er sich auf das Wesentliche:
     die Lasche. Zieh sie auf. Halt! Zuerst die Beine zwischen die Sprossen der Strickleiter. Dann das Seil der Leiter einmal um
     die Waden winden. Gut. Und jetzt den Arm aus dem Gestell ziehen, anschließend den Kopf. Und nicht an unten denken.
Nicht denken!
    Endlich rutschte er aus dem Gestell. Die Gurte des Schirms entglitten seiner Hand schneller als gewollt, und die Strickleiter
     verfiel in ein heftiges Pendeln. Er schloss die Augen, umschlang die Leiter mit Armen und Beinen, während die Welt von einem
     wilden Strudel verschlungen wurde.
    Als das Pendeln irgendwann nachließ, war seine Wäsche schweißnass. Wenigstens war der unerbittliche Druck auf seinem Brustkorb
     verschwunden. Er atmete frei. Obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, als diesen Albtraum schnellstmöglich hinter sich
     zu bringen, zwang er sich, noch so lange auf der Schaukel auszuharren, bis das Zittern seiner Finger nachgelassen hatte. Dann
     erst sah er an der Leiter hinauf.
    Ein angstvolles, kreidebleiches Frauengesicht blickte vom Korbrand auf ihn herab. André biss die Zähne aufeinander und ergriff
     die nächste Sprosse. Er war froh, als Marie-Provence sich wieder zurückzog.
    Bis er endlich die Höhe des Korbes erreichte, schien ihm eine Ewigkeit vergangen zu sein – und eine weitere, bis er sich über
     den Korbrand schwang. Er war kaum überrascht, neben Marie-Provence

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