Die Ballonfahrerin des Königs
das stimmt.» Guy räusperte sich. «Glaubst du, er könnte uns helfen? Du hast doch bei diesem Arzt gearbeitet und kennst
dich ein wenig aus. Wann, glaubst du, könnte er wieder stark genug sein, um …?»
Marie-Provence musste schlucken. Sie dachte an die letzten Stunden, an den Ausdruck auf Charles’ Gesicht. Ein Ausdruck, den
sie nur zu gut kannte und den sie für immer verbannt zu haben geglaubt hatte. «Ich weiß es nicht», flüsterte sie. «So wahr
mir Gott helfe, ich weiß es nicht. Seit er vom Tod seiner Mutter weiß …» Trotz der unausgesprochenen Vorwürfe, die seit Pips’ Enthüllungen die Beziehung zu ihrem Vater belasteten, griff sie nach
seinen Händen. «Ich habe Angst!» Weiterreden konnte sie nicht.
***
«Gruß und Tugend, général», grüßte Cédric Croutignac, als er den kleinen dunklen Raum betrat. Die versammelten Offiziere drehten
sich um. Sie wichen zurück und gaben den Blick frei auf einen Uniformierten. Der beugte sich über eine derbe Truhe, die als
Tisch diente und auf der sich Karten stapelten.
«Gruß und Brüderlichkeit», antwortete der General. Er runzelte die Stirn. «Sie sind citoyen Croutignac, nicht wahr? Eine Depesche
hat Sie angekündigt. Was führt Sie zu mir?»
Cédric musterte den Offizier ausführlich: längliches Gesicht, voller Mund, leicht gewellte Haare, die gerade die Ohren bedeckten,
ein zugleich offener und intelligenter Ausdruck auf einem ernsten Gesicht. Das also war général Hoche. Der Sohn eines Stalljungen
war mit einundzwanzig Jahren als einfacher Soldat in die Armee eingetreten. Vier Jahre später wurde er bereits zum General
ernannt. Eine rasante Karriere – die kurz darauf beinahe ein Ende auf dem Schafott gefunden hätte. Wieder einer, der durch
Robespierres Hinrichtung gerettet worden ist, dachte Cédric leidenschaftslos. |457| Und von so einem Mann erwartete man nun nichts Geringeres als die Rettung der Republik. «Ich danke, dass Sie sich Zeit nehmen,
mich zu empfangen, General. Ich weiß, wie überlastet Sie sind. Dennoch möchte ich Sie bitten, mir ein Gespräch unter vier
Augen zu gewähren», sagte er schließlich.
Als sie alleine waren, händigte Cédric Hoche den Brief aus, den der Wohlfahrtsausschuss ihm hatte zukommen lassen.
«Eine Frau, ihr Vater und ein Kind – wer sind diese Leute, citoyen? Was hat diese Familie verbrochen, dass Sie sie bis hierher
verfolgen, und weshalb lässt man sie durch Sie suchen, statt einfach einen Haftbefehl an die zuständigen örtlichen Behörden
zu schicken?»
«Genau das sind leider die Fragen, die ich nicht beantworten darf, General», erwiderte Cédric höflich, aber bestimmt. «Auch
möchte ich Sie gar nicht weiter mit dieser Angelegenheit belasten. Alles, was ich von Ihnen brauche, ist eine Handvoll Männer,
um diese Personen suchen zu lassen.»
«Und das, mein Lieber, ist leider genau das, was ich am allerwenigsten entbehren kann», gab Hoche freundlich zurück. «Mir
stehen momentan gerade einmal zweitausend Mann zur Verfügung, um gegen viertausend rückkehrende Emigranten und fünfzehntausend
revoltierende Bretonen anzugehen. Sie können sich vorstellen, dass sich jede fehlende Handvoll schmerzhaft bemerkbar machen
würde.»
Cédrics Magen zog sich zusammen. «Wenn es sich so verhält, verstehe ich Ihren Einwand.» Verflixt, er war nicht den ganzen
Weg von Paris bis hierher der Spur der Flüchtlinge gefolgt, um im letzten Augenblick zu versagen! Nervös sagte er: «Dennoch
muss ich auf die Männer bestehen. Wir müssen jedes Dorf durchkämmen, jedes Haus …»
«Nehmen Sie doch Vernunft an, Croutignac. Die von Ihnen gesuchten Personen werden sich doch höchstwahrscheinlich inmitten
des aufständischen Territoriums befinden. Was nutzen Ihnen da meine Männer?» Hoche schüttelte den Kopf. «Warten Sie, bis ich
die Gebiete zurückgewonnen |458| habe, die diese Schufte uns entrissen haben. Die neuen Truppen werden demnächst hier eintreffen. Dann bekommen Sie so viele
Helfer, wie Sie wollen, und können meinetwegen jeden Ziegenstall durchstöbern lassen.»
Cédrics Nägel fuhren hektisch über seine gespannte Haut. «Was heißt das konkret, General? Wie viele Tage?»
«In den nächsten Stunden, Croutignac.» In Hoches Augen spiegelte sich Zuversicht. «Machen Sie sich keine Sorgen. Die Feinde
der Republik haben ihren kostbarsten Trumpf verspielt: den Überraschungseffekt. Statt voranzustürmen, Land zu erobern und
so viele
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