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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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voran. Sie wusste, dass Croutignac es eilig hatte, das Gefängnis der Stadt zu
     erreichen. Auch hatte er eine frühe Stunde gewählt, sodass in den engen Straßen kaum Betrieb herrschte. Das blaugraue Licht
     der Morgendämmerung lag über den Gassen, und die Luft war zwar etwas abgekühlt, doch noch immer lau. Die ersten Möwen segelten
     am Himmel in Richtung Meer. Ihre spitzen Schreie wurden durch den nahen Ruf eines Käuzchens übertönt. Marie-Provence stutzte
     unwillkürlich.
    Auf einmal brach neben ihr ein Soldat zusammen. Sie erstarrte. Plötzlich wimmelte es von Menschen. Die Chouans! Gut dreißig
     Schatten lösten sich aus Eingängen und Toreinfahrten, aus Kellerschächten und Türen. Ein kurzes, heftiges Durcheinander entstand,
     dann lagen Marie-Provence’ Wächter am Boden, und Croutignac stand mit erhobenen Armen da.
    «Cadoudal!», rief Marie-Provence.
    Der Riese grinste. «Mich erreichte die Nachricht, dass |483| Sie unsere Bekanntschaft gerne erneuern würden.» Er nahm seine Pistole von der rechten in die linke Hand, um mit einem Messer
     ihre Fesseln zu durchtrennen. Dann drehte er sich suchend um. «Wo ist das Kind?», fragte er scharf. «Wo ist der König?» Ein
     Blick auf Marie-Provence genügte ihm als Antwort.
    Als sie den riesigen Mann wanken sah, traf sie zum ersten Mal das volle Bewusstsein, welchen Verlust Charles’ Tod bedeutete,
     nicht nur für sie persönlich, sondern für das Land und die Hoffnung von Tausenden von Menschen.
    Cadoudals Gesicht war wie versteinert. «Wer hat Schuld? Er?» Er packte Croutignac und drückte die Mündung seiner Pistole direkt
     auf dessen Herz.
    Marie-Provence und Croutignac sahen sich an. Der Mann war kreidebleich. Hass wallte in Marie-Provence auf: Jetzt war der Augenblick,
     das zu vollbringen, wonach sie sich gestern so gesehnt hatte. Und sie brauchte noch nicht einmal selbst das Messer zu führen.
    «Ja, er ist schuld.»
    Croutignacs Gesichtsfarbe wurde wächsern, Cadoudal spannte den Hahn seiner Pistole – da hielt Marie-Provence ihre Hand vor
     die Mündung.
    «Lassen Sie ihn leben.» Sie sah Croutignac in die Augen, dem der Schweiß vom Kinn tropfte. «Irgendwann einmal wird er über
     sein Leben nachdenken. Und dann wird er sich wünschen, heute erschossen worden zu sein.»
    Croutignac brach ohne einen Laut zusammen.
    Cadoudal gönnte ihm keinen Blick mehr. Er rieb die geröteten Knöchel seiner rechten Faust. «Genug getrödelt. Wir müssen los.»
     
    «So, da wären wir», sagte Cadoudal. «Willkommen in Ihrem Nachtquartier.»
    Marie-Provence sah sich ratlos in der Schonung um. Nachdem sie Auray schleunigst in Richtung Hinterland verlassen hatten,
     waren sie, wie Marie-Provence schien, eine Ewigkeit kreuz und quer durch tunnelartige Wege geirrt, bevor sie in |484| einen dichtbewachsenen Wald vorgedrungen waren. Hier zeigte ihnen kein Pfad mehr die Richtung.
    Die Bauern der Gegend hatten die Eigenart, ihre Felder durch Mauern zu begrenzen, die sie ringsum aus dem lehmhaltigen Boden
     anhäuften. Bepflanzt mit regelmäßig gestutzten Eichen, Buchen und Esskastanien, wurden diese Mauern zu Wällen einer kleinen
     Festung, die sich nun ganz leicht mit einem Gatter schließen und schützen ließ. So gelang es den Chouans, sich gegen die besser
     ausgerüstete und organisierte Armee der Republikaner zur Wehr zu setzen: Kanonen und Heere waren nutzlos in diesem schachbrettartigen
     Gelände.
    Die Äste der Bäume auf den Wällen hatten noch einen anderen Nutzen: Sie wurden über die Wege gebogen. So verwandelten sie
     die Pfade in grüne, unsichtbare Tunnel, deren Boden selten trocknete. Der zähe, schlammige Grund war erwiesenermaßen ein Feind
     der breitgebauten Wagen der republikanischen Armee und machte jede Truppenbewegung zur Tortur. Allerdings erschwerte er auch
     das Leben der Fußgänger. Diese mieden die lehmigen Tunnel, indem sie Pfade nutzten, die am Saum der Felder entlangführten.
     Um diese schmalen Wege zu erreichen, musste man allerdings zuvor über unregelmäßige Stufen den Wall erklimmen, den jedes Grundstück
     umgab. Stufen rauf, Stufen runter – Marie-Provence konnte sich nicht erinnern, wie oft sie heute diese Übung ausgeführt hatte.
     Doch ihre schmerzenden Beine und die Schlammschicht, die ihre Schuhe vollständig bedeckte, sprachen Bände. Auch wäre sie überglücklich
     gewesen, sich endlich irgendwo ausstrecken zu dürfen – doch nichts ähnelte einer Übernachtungsmöglichkeit auch nur im Entferntesten.
    

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