Die Ballonfahrerin des Königs
Männern saßen zwei zusammen mit dem Anführer in diesem Versteck, die Übrigen hatten sich auf die anderen Löcher verteilt.
So vermied man, dass im Falle einer Entdeckung alle gleichzeitig gefangen wurden.
«Gestern. Er starb gestern Nacht. Ich war bei ihm.» Stockend berichtete Marie-Provence von den letzten Tagen. Diese Männer
hatten ein Recht darauf, alles zu erfahren. Wenn für Marie-Provence Charles immer an erster Stelle ein Kind geblieben war,
das sie liebte, so sahen die Chouans trotz dessen zarten Alters einen Anführer in ihm. Sein Tod war für den weiteren Verlauf
der Rückeroberung des Königreichs eine Katastrophe. Gerührt bemerkte sie, dass Tränen in den Augen der Männer schimmerten.
«Wo ist er jetzt? Wir brauchen wenigstens den Leichnam, um seiner zu gedenken», warf einer von ihnen ein und wischte sich
ohne Scham mit dem Ärmel die Augen trocken.
«Croutignac hat ihn sichergestellt. Charles’ Zimmer wurde verschlossen, mir wurde nicht einmal mehr erlaubt, eine Locke von
Charles’ Haar abzuschneiden. Dann hat Croutignac ihn abholen lassen, noch bevor wir aus dem Haus sind», antwortete Marie-Provence.
«Er hat mir gesagt, dass der Leichnam so schnell wie möglich anonym verscharrt wird, damit … damit keine Pilgerstätte entsteht.» Sie legte den Fisch zurück. Das Flämmchen des Kerzenstummels flackerte in der Laterne,
als ein Luftzug von oben hereindrang.
«Sie müssen sich jetzt ausruhen», sagte Cadoudal nach einem Blick auf sie. «Sie haben viel durchgemacht in letzter Zeit.»
|488| «Erzählen Sie mir zuerst noch von meinem Vater. Was machen unsere Truppen? Ist es ihnen gelungen, das Ruder wieder rumzureißen
und Land zurückzuerobern?»
«Serdaine geht es gut. Er wäre zu gerne mitgekommen, doch er untersteht jetzt Hervilly, und dieser weigert sich noch immer,
seine Männer einzusetzen.» Cadoudal verzog das Gesicht. «Die meisten Kämpfe der letzten Tage verliefen zu unseren Ungunsten.
Die Gegner sind nun gerüstet, und Hoche hat viele Tausend Männer geschickt bekommen. Wir befürchten, dass er im Augenblick
eine Generaloffensive vorbereitet. Bei uns krankt es nach wie vor an der Organisation. Aber immerhin einen strategisch wichtigen
Sieg können wir vermelden: Wir haben das Fort Penthièvre eingenommen. Ein Teil der Besatzung ist zu uns übergelaufen. Die
Halbinsel Quiberon ist uns somit sicher, und auch die Versorgung vom Meer aus. Wenn es uns noch gelänge, einen großen Hafen
zu sichern, wo unsere Schiffe bei Sturm Zuflucht fänden, könnten wir sorglos auf die nächsten zwei Flottenverbände warten.
Lorient ist unsere erste Wahl. Die Bewohner der Stadt sind unserer Sache wohlgesinnt und warten nur auf das Erscheinen unserer
Armee.»
«Und was sind die Pläne für die nächste Zeit?»
«Natürlich ist der Tod des jungen Königs eine Katastrophe für uns. Diese Herren, die aus England gekommen sind, sind sich
nach wie vor nicht einig über ihre Ziele. Hervilly sitzt auf Truppenreserven und Waffen, Puisaye wettert dagegen, ist aber
letztendlich machtlos, weil die Regimenter der Rückkehrer nur Hervilly gehorchen.»
Marie-Provence ergänzte: «Hervilly ist der Vertraute von Charles’ älterem Onkel, dem Grafen von Provence. Und Provence wird
nicht lange warten, um sich zum neuen Herrscher Frankreichs zu küren.»
Cadoudal nickte. «Als Louis XVIII., ja. So will es die Erbfolge.» Er murmelte: «Der König ist tot. Es lebe der König.»
«Keine guten Voraussetzungen, um Hervilly zum Einlenken zu bringen.» Marie-Provence schloss die Augen. Ihr war bewusst, dass
sie etwas hätte empfinden sollen angesichts |489| dieser Wirrungen. Dass sie hätte Partei ergreifen, sich über Hervillys Borniertheit empören müssen. Doch sie fühlte nichts
als grenzenlose Müdigkeit. Dabei hatte sich, äußerlich gesehen, nur wenig verändert. Der Kampf um die Rückeroberung des Reiches
ging weiter. Die Emigranten waren ausgeschifft, die Waffen lagen bereit. Charles’ Krankheit hatte verhindert, dass er zur
Galionsfigur der royalistischen Bewegung wurde. Doch dadurch hatte sein Tod keinen Abgrund aufgetan, der die Bewegung gelähmt
hätte. Sie lehnte sich an die mit Zweigen, Farnen und Moosen verkleidete Wand des birnenförmigen Erdlochs und zog die Beine
unter sich zusammen.
«Hier, nehmen Sie.» Cadoudal hielt ihr eine Decke hin.
Sie dankte und legte sich den groben Stoff um die Schultern, weniger, weil ihr kalt war, als weil sie
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