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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Männern saßen zwei zusammen mit dem Anführer in diesem Versteck, die Übrigen hatten sich auf die anderen Löcher verteilt.
     So vermied man, dass im Falle einer Entdeckung alle gleichzeitig gefangen wurden.
    «Gestern. Er starb gestern Nacht. Ich war bei ihm.» Stockend berichtete Marie-Provence von den letzten Tagen. Diese Männer
     hatten ein Recht darauf, alles zu erfahren. Wenn für Marie-Provence Charles immer an erster Stelle ein Kind geblieben war,
     das sie liebte, so sahen die Chouans trotz dessen zarten Alters einen Anführer in ihm. Sein Tod war für den weiteren Verlauf
     der Rückeroberung des Königreichs eine Katastrophe. Gerührt bemerkte sie, dass Tränen in den Augen der Männer schimmerten.
    «Wo ist er jetzt? Wir brauchen wenigstens den Leichnam, um seiner zu gedenken», warf einer von ihnen ein und wischte sich
     ohne Scham mit dem Ärmel die Augen trocken.
    «Croutignac hat ihn sichergestellt. Charles’ Zimmer wurde verschlossen, mir wurde nicht einmal mehr erlaubt, eine Locke von
     Charles’ Haar abzuschneiden. Dann hat Croutignac ihn abholen lassen, noch bevor wir aus dem Haus sind», antwortete Marie-Provence.
     «Er hat mir gesagt, dass der Leichnam so schnell wie möglich anonym verscharrt wird, damit   … damit keine Pilgerstätte entsteht.» Sie legte den Fisch zurück. Das Flämmchen des Kerzenstummels flackerte in der Laterne,
     als ein Luftzug von oben hereindrang.
    «Sie müssen sich jetzt ausruhen», sagte Cadoudal nach einem Blick auf sie. «Sie haben viel durchgemacht in letzter Zeit.»
    |488| «Erzählen Sie mir zuerst noch von meinem Vater. Was machen unsere Truppen? Ist es ihnen gelungen, das Ruder wieder rumzureißen
     und Land zurückzuerobern?»
    «Serdaine geht es gut. Er wäre zu gerne mitgekommen, doch er untersteht jetzt Hervilly, und dieser weigert sich noch immer,
     seine Männer einzusetzen.» Cadoudal verzog das Gesicht. «Die meisten Kämpfe der letzten Tage verliefen zu unseren Ungunsten.
     Die Gegner sind nun gerüstet, und Hoche hat viele Tausend Männer geschickt bekommen. Wir befürchten, dass er im Augenblick
     eine Generaloffensive vorbereitet. Bei uns krankt es nach wie vor an der Organisation. Aber immerhin einen strategisch wichtigen
     Sieg können wir vermelden: Wir haben das Fort Penthièvre eingenommen. Ein Teil der Besatzung ist zu uns übergelaufen. Die
     Halbinsel Quiberon ist uns somit sicher, und auch die Versorgung vom Meer aus. Wenn es uns noch gelänge, einen großen Hafen
     zu sichern, wo unsere Schiffe bei Sturm Zuflucht fänden, könnten wir sorglos auf die nächsten zwei Flottenverbände warten.
     Lorient ist unsere erste Wahl. Die Bewohner der Stadt sind unserer Sache wohlgesinnt und warten nur auf das Erscheinen unserer
     Armee.»
    «Und was sind die Pläne für die nächste Zeit?»
    «Natürlich ist der Tod des jungen Königs eine Katastrophe für uns. Diese Herren, die aus England gekommen sind, sind sich
     nach wie vor nicht einig über ihre Ziele. Hervilly sitzt auf Truppenreserven und Waffen, Puisaye wettert dagegen, ist aber
     letztendlich machtlos, weil die Regimenter der Rückkehrer nur Hervilly gehorchen.»
    Marie-Provence ergänzte: «Hervilly ist der Vertraute von Charles’ älterem Onkel, dem Grafen von Provence. Und Provence wird
     nicht lange warten, um sich zum neuen Herrscher Frankreichs zu küren.»
    Cadoudal nickte. «Als Louis XVIII., ja. So will es die Erbfolge.» Er murmelte: «Der König ist tot. Es lebe der König.»
    «Keine guten Voraussetzungen, um Hervilly zum Einlenken zu bringen.» Marie-Provence schloss die Augen. Ihr war bewusst, dass
     sie etwas hätte empfinden sollen angesichts |489| dieser Wirrungen. Dass sie hätte Partei ergreifen, sich über Hervillys Borniertheit empören müssen. Doch sie fühlte nichts
     als grenzenlose Müdigkeit. Dabei hatte sich, äußerlich gesehen, nur wenig verändert. Der Kampf um die Rückeroberung des Reiches
     ging weiter. Die Emigranten waren ausgeschifft, die Waffen lagen bereit. Charles’ Krankheit hatte verhindert, dass er zur
     Galionsfigur der royalistischen Bewegung wurde. Doch dadurch hatte sein Tod keinen Abgrund aufgetan, der die Bewegung gelähmt
     hätte. Sie lehnte sich an die mit Zweigen, Farnen und Moosen verkleidete Wand des birnenförmigen Erdlochs und zog die Beine
     unter sich zusammen.
    «Hier, nehmen Sie.» Cadoudal hielt ihr eine Decke hin.
    Sie dankte und legte sich den groben Stoff um die Schultern, weniger, weil ihr kalt war, als weil sie

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