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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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sich nach etwas Geborgenheit
     sehnte.
    Cadoudal hob das Stück Fisch auf, das sie verschmäht hatte, und biss hinein. «Unsere große Hoffnung richtet sich derzeit auf
     die zwei weiteren Flottenverbände, die noch aus England kommen sollen», erklärte er kauend. «Puisaye hat in einem Brief die
     Situation geschildert und um eine klare Stellungnahme seitens der britischen Befehlshaber gebeten. Schließlich hat der erste
     Minister William Pitt diese Armee bezahlt und nicht Provence! Mit der Antwort, die jeden Tag erwartet wird, werden auch die
     Unklarheiten über die Führung dieses Feldzuges beseitigt werden. Und von da an werden meine Männer nicht mehr alleine dem
     Kugelhagel der Blauen ausgesetzt sein.»
    Ihr Blick ging nach oben. Die sorgfältig zugeklappte Abdeckung ihres Verstecks bestand nur aus einem Holzgitter, das für die
     Luftzufuhr sorgte. Allerdings war es so geschickt verkleidet, dass man darüber hinweglaufen konnte, ohne es zu bemerken. Sie
     sehnte sich danach, den Abendhimmel zu sehen. Gestern noch war sie ihm so nah gewesen! Auf einmal fand sie alles, was sie
     umgab, unerträglich. Sie rollte sich noch ein wenig enger zusammen.
Er hat mich seine Ballonfahrerin genannt.
    |490| Früher einmal, auf dem Dach von Maisons, hatte sie geträumt, wie ein Vogel zu fliegen. André hatte diesen Traum dann Wirklichkeit
     werden lassen. Doch wie fern dieser Traum jetzt war! Mit jedem Tag seit der Landung in Dammartin etwas weiter. Und jetzt kauerte
     sie in einem Loch, erdverschmiert und einsam. Wozu das Ganze?, fragte sie sich, wozu? Weil auch Charles fliegen wollte. Und
     er ist geflogen. Ein kurzes Stück nur, aber direkt in den Himmel. Und das musste reichen für den Rest ihrer Tage. Oder?
    Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit dachte sie nicht an Charles und dessen Wohl, sondern an sich selbst. Und erschrocken
     merkte sie, wie hohl und orientierungslos sie sich dabei fühlte.
    Und André? Wann hatte sie das letzte Mal an André gedacht? Der heftige Schmerz, der augenblicklich ihren Brustkorb durchfuhr,
     bestürzte sie. Wo mochte er jetzt sein? Ob er sie hasste? Innerlich lachte sie bitter. Was sollte er sonst tun? Sie hatte
     ihn verraten, ihn ohne sein Wissen zu ihrem Komplizen gemacht, und dann hatte ihr Vater ihn den Soldaten vor die Füße geworfen!
     Wenn er Glück hatte, schmorte er jetzt in einem Pariser Verlies und wartete auf seinen Prozess. Und wenn nicht   … Ihre Hände begannen zu zittern. Nein, André musste am Leben sein, alles andere wäre unerträglich. Ob sie ihm irgendwie helfen
     konnte? Sie musste jetzt nicht mehr auf Charles und seine Sicherheit Rücksicht nehmen. Auch nicht auf ihren Vater, der sie
     belogen hatte. Sie war frei! Sie merkte, wie gut dieser Gedanke tat und dass sie wieder Zuversicht gewann.
    Einer der Männer schnarchte, der andere hielt Wache. Der Anführer der Chouans war ebenfalls eingenickt. Marie-Provence fasste
     sich an den Schopf und verzog das Gesicht, als sie sich ein paar Haare ausriss. Dann zupfte sie an Cadoudals mächtigem Arm.
    «Cadoudal, ich brauche dringend etwas zum Schreiben!»
     
    Am nächsten Morgen machten sie sich früh auf den Weg und erreichten die Küste östlich von Carnac noch vor der Mittagszeit. |491| Bei einem ausgemachten Treffpunkt stießen sie auf eine Gruppe Chouans. Diese brachten ihre Erleichterung, sie zu sehen, lautstark
     zum Ausdruck.
    «Cadoudal, da bist du ja! Es wurde aber auch Zeit!» Der Chouan, der sie ansprach, trug eine blutige Kopfbinde unter seinem
     Dreispitz und zerrissene Hosen, an deren Bund ein Rosenkranz baumelte. Wilde Bartstoppeln überwucherten seinen Kiefer und
     seine Wangen, die Augen lagen tief in den Höhlen.
    «Was ist passiert?», fragte Cadoudal.
    Er sah um sich. Drei- bis vierhundert Männer mochten hier versammelt sein. Wo waren die Frauen und ihre Familien, wo die Zelte
     und Wagen? Marie-Provence konnte sie nirgends entdecken. Stattdessen mürrische Blicke und wütende Gesichter. Waren das die
     Männer, die sich noch vor kurzem unter Hochrufen bei der Ausschiffung in die Arme gefallen waren?
    «Wir haben den Befehl bekommen, in Richtung Carnac zu ziehen. Du selbst wirst westlich von Carnac bei Sainte-Barbe erwartet.»
    Marie-Provence bekam feuchte Hände. «Aber das bedeutet den Rückzug!», rief sie aus.
    Gleichzeitig stieß Cadoudal einen Wutschrei aus. «Was soll das? Wo sind die Kanonen? Wo die besoldeten Truppen?»
    «Auf der Halbinsel», rief jemand.
    «Was?» Cadoudal war

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