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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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zurückgedrängt worden, doch der Schreck hatte allen bewusstgemacht,
     dass dieser Krieg noch lange nicht zu Ende war.
    Hoche hatte Konsequenzen ergriffen und seinen Ingenieuren |501| den Bau eines gigantischen Bollwerks befohlen, einer militärischen Befestigungsanlage, die sich unterhalb von Sainte-Barbe
     von der Bucht bis zum Ozean erstrecken würde und die Halbinsel völlig vom Festland abschneiden sollte. Es hieß, dreißigtausend
     Menschen drängten sich auf Quiberon, und die Landzunge sei nur mäßig bestückt mit Süßwasserquellen. Hoche schien fest darauf
     zu vertrauen, dass Hunger und Hitze ihr Übriges tun würden. Doch wie sah es auf Quiberon wirklich aus? Die englischen Kriegsschiffe
     hielten um die Landzunge Wache, schützten die Royalisten vor einem Übergriff und gleichzeitig vor einer Observierung von der
     See aus. Aber es war wesentlich zu wissen, wie groß die Vorräte der Feinde tatsächlich waren. Ein paar Stunden im Ballon würden
     diese Frage vielleicht beantworten.
    «Sind Sie André Levallois?»
    André sah überrascht auf. «Ja, der bin ich. Um was geht es?»
    Ein fremder Soldat musterte neugierig die Apparatur des Ofens. «General Hoche will Sie sprechen. Kommen Sie unverzüglich mit.»
     
    Der Oberbefehlshaber der republikanischen Armee hatte in einem strohbedeckten Haus sein Hauptquartier aufgeschlagen, in einem
     kleinen Ort, achthundert Schritte südöstlich von Sainte-Barbe. Das Einzige, was Hoches Hütte von den vier bis fünf anderen
     des Dorfes unterschied, war die riesige blauweißrote Fahne, die jemand über dem Türsturz festgenagelt hatte.
    «Ah, Monsieur Levallois, kommen Sie herein.»
    Überrascht, dass der Offizier sich seinen Namen gemerkt hatte, betrat André den Raum und schlug salutierend seinen Hacken
     in den gestampften Lehmboden.
    «Hier, lesen Sie das», sagte Hoche. Er hielt ihm einen Bogen hin.
    André nahm das Papier entgegen. Es war zerknittert und beschmutzt und mit Bleistift beschrieben. Auf der einen Seite befanden
     sich Wachsspuren, an denen etwas hing – Haare? |502| Ja, ein sehr dünner, verzwirbelter Strang dunkler Haare. Hier hatte jemand versucht, mit notdürftigen Mitteln einen Brief
     zu versiegeln. André runzelte die Stirn und sah auf. «Einen an Sie adressierten Brief, General?»
    «Lesen Sie», wiederholte Hoche bestimmt.
    André gehorchte und drehte das Blatt um. Die Zeilen liefen unordentlich über das Papier, als seien sie in einer ungünstigen
     Stellung oder bei schlechtem Licht geschrieben worden. Er las:
     
    Monsieur,
    Sie werden mich kaum kennen, auch wenn wir einst dasselbe Gefängnis teilten. Dennoch wende ich mich an Sie mit meinem Anliegen,
     weil Ihnen ein ehrbarer Ruf vorauseilt.
    In Paris befindet sich ein Mann in den Händen der republikanischen Behörden. Sein Name ist André Levallois. Es ist schwer
     für eine Frau, sich einem Unbekannten zu öffnen, vor allem wenn das, was sie enthüllt, ihr nicht zum Ruhm gereicht. Doch ich
     werde Ihnen nichts verheimlichen, weil ich mir Ihr Vertrauen verdienen muss.
    André Levallois wurde unwissend durch meine Schuld in ein Abenteuer gestürzt, das ihn nicht nur in Gefahr brachte, sondern
     auch seine Ehre zerstörte. Ich nutzte ihn und seine Fähigkeiten als Ballonfahrer für meine Zwecke. Da ich der Republik Schaden
     zufügte, bange ich, dass Monsieur Levallois sich nun einer Anklage des Hochverrats erwehren muss und dass sein Leben bedroht
     ist.
    Ich erläutere Ihnen nicht die Gründe für meinen Brief, denn ich muss befürchten, durch sie an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
     Sie sind persönlich und an dieser Stelle nebensächlich. Doch ich vertraue darauf, dass Sie Ungerechtigkeit hassen, weil Sie
     selbst fast einmal ihr Opfer geworden wären. Darum bitte ich Sie inständig: Legen Sie Ihrer nächsten Berichterstattung nach
     Paris das Blatt bei, das sich in diesem Brief befindet. Ich lasse es offen, damit Sie erkennen, was es ist: eine eidesstattliche
     Erklärung, die
|503|
Monsieur Levallois vollständig von jeglicher Mittäterschaft freispricht und als Beweis eine minutiöse Aufzählung der damaligen
     Ereignisse.
    Ich verbleibe vertrauensvoll und dankbar
    Ihre
    Marie-Provence de Serdaine.
     
    André ließ den Brief sinken.
    «Ich vermute, Sie sind dieser Levallois, von dem hier die Rede ist?», fragte der General.
    André räusperte sich. «Ja.» Er faltete das Blatt wieder zusammen. Dabei berührten seine Finger unabsichtlich die Haare, die
     noch im Wachs gefangen

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