Die Ballonfahrerin des Königs
Welt sind, die wir wieder aufzubauen versuchen,
so ist sie es nicht wert, wieder ins Leben gerufen zu werden!»
Ihr Vater wurde weiß. «So beruhige dich doch, Marie. Du hast Schlimmes durchlebt, du weißt nicht, was du sagst!»
«Aber ich weiß, was ich fühle.» Ihr Blick verschwamm. «Und ich fühle, dass das alles hier ein gewaltiger Irrtum sein könnte.»
Sie drehte sich von ihrem Vater weg. «Komm», sagte sie zu dem Jungen, der mit weitaufgerissenen Augen der Szene beigewohnt
hatte, und strich über sein Haar. «Wir gehen jetzt deine Mutter suchen.»
***
|499| André befühlte den ledernen Schlauch, der bis zur Öffnung des Ballons führte, und nickte. «Gut. Der Wasserstoff kommt jetzt
durch.» Er wischte sich die geschwärzten Finger an einem Tuch ab und sagte zu Justin: «Wir sollten es uns eine Lehre sein
lassen. Die Lötungen der Blechleitungen sind zu weich und taugen nicht für einen Feldzug. Es sollten immer Kupferleitungen
verwendet werden, sonst können wir jedes Mal alle Gaszuflüsse ersetzen.»
«Sie haben recht.» Justin nickte erschöpft, aber auch zufrieden.
Die Männer der Kompanie hatten die ganze Nacht über gearbeitet, denn wenn der Ofen erst einmal angezündet war, hieß es, ihn
ständig zu überwachen. Jetzt allerdings, nach ihrer improvisierten Reparatur, sah es gut aus: Die zwei Schornsteine des Ofens
rauchten, und durch die Sichtschlitze an den Flanken war erkennbar, dass die drei Meter langen, gusseisernen Rohre in seinem
Inneren hell glühten. Insgesamt gab es sieben dieser Rohre. Darin taten die Feilspäne, die sämtliche Männer der Kompanie über
Stunden hinweg in schweißtreibender Arbeit gerieben und gesiebt hatten, um sie zu befreien, nun in Zusammenarbeit mit dem
Wasserdampf ihre Arbeit.
Justin gab zwei der Männer Zeichen. «Haltet die Hülle etwas auseinander, damit das Gas ungehindert hineinkann. Lapierre, fangen
Sie an, rundherum Pflöcke in die Erde zu treiben. Bald werden wir den Ballon anbinden müssen.»
«Wir brauchen noch Holz», meinte André. «Aber legt nur mit Gefühl nach, der Ofen darf sich nicht zu sehr aufheizen. Die Backsteine,
die wir verwendet haben, sind nicht von bester Qualität. Es besteht die Gefahr, dass sie glasig werden und schmelzen. In Paris
hatte ich einmal ein ähnliches Problem. Ach ja, Percetout, falls eines der Rohre undicht wird, sollten wir noch weitere Eisenspäne
in Reserve haben. Kannst du uns welche auftreiben?»
Percetout, ein blonder Mann mit Stirnglatze und breitem, stets freundlichem Lächeln, zog seine blaue Arbeitsjacke stramm.
«Kein Problem, Genie. Die Kameraden vom Depot |500| halten uns sowieso für etwas seltsam, da kommt so eine Anfrage gerade recht.»
Nach dem rüden Empfang von General Hoche und ihrer Ausgrenzung vom Kampfgeschehen war der Einzug der Luftfahrerkompanie im
Feldlager mit teils spöttischen, teils verächtlichen Kommentaren von Seiten der anderen Truppen bedacht worden. Dies hatte
zur Folge gehabt, dass die einundzwanzig Männer zusammengerückt waren und nun eine kameradschaftliche Einheit bildeten.
Justin reagierte am empfindlichsten, was den Leumund seiner kleinen Kompanie betraf. «Wartet ab, bis der
Intrépide
am Himmel steht», brummte er. «Dann werden denen noch die Augen übergehen.»
«Morgen wird es so weit sein.» André betrachtete die blauweißrote Hülle, in der erste Wellen das einfließende Gas verrieten.
Er hätte nicht geglaubt, dass er den Ballon jemals wieder befüllen würde. Nach der Landung hatte André ihn genauso aus seinem
Gedächtnis zu verbannen versucht wie alles, was mit dem unseligen Jungfernflug zu tun hatte. Zu sehen, wie er allmählich wieder
zum Leben erweckt wurde, rief zwiespältige Gefühle in ihm hervor. Ohnmächtiger Zorn und Trauer drohten sich seiner zu bemächtigen.
Er kämpfte energisch dagegen an und wandte sich vom Ballon ab.
Sein Blick suchte nach dem Fort Penthièvre. Seit drei Tagen hatten sich die Royalisten auf Quiberon verschanzt. Entgegen Hoches
Hoffnungen hatte der geordnete und wehrhafte Rückzug der Chouans verhindert, dass das Fort sofort eingenommen werden konnte.
Besonders ein Führer der Chouans namens Cadoudal hatte sich dabei hervorgetan. Gestern Nacht war der Feind überraschend aus
dem Fort ausgebrochen und hatte eine heftige Attacke gestartet. Zum ersten Mal waren nicht nur Chouans, sondern auch ordentliche
Truppen in roten Uniformen unter den Angreifern gewesen. Sie waren
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