Die Ballonfahrerin des Königs
auf dem Absatz kehrt und zerrte Marie-Provence mit sich. Die Soldaten
versuchten, einen Kreis um sie zu bilden, doch ein gezielter Faustschlag von André verbreitete für einen Moment Verblüffung
und gab den Flüchtenden genug Luft, um zwischen zwei Männern hindurchzuschlüpfen.
«Lauf! Schnell!», zischte André.
Sie liefen Seite an Seite, hasteten Hand in Hand durch die grauschwarze Nacht. Hinter ihnen wurden Schreie laut, Warnrufe,
dann wurde es still.
«Sie verfolgen uns!», keuchte Marie-Provence.
Er antwortete nicht, sondern rannte mit einer ausgestreckten Hand und nahezu blind an den Menhiren vorbei. Sie strauchelte,
er zog sie hoch. Ginsterzweige peitschten sein Gesicht. Die Welt war ein zugiges Loch, übersät mit riesenhaften Stolpersteinen.
Ihre Hand verkrampfte sich in seiner.
Sie strauchelte abermals. «Ich kann nicht mehr!»
Er deutete auf einen unregelmäßig geformten Menhir, dessen riesenhafte Silhouette diffus im Mondlicht leuchtete. «Da drauf.»
Er beugte sich vor, verschränkte seine Finger und bot ihr seine Handflächen als Trittstufe an. «Komm!» Sie gehorchte, und
er katapultierte sie mit einem kräftigen Ruck nach oben. Kurz darauf hatte auch er sich hochgezogen. Sie hatten sich gerade
auf den Scheitel des Granitblocks gelegt, als Schatten durch die Nacht strömten.
«Sucht sie! Sie können nicht weit sein!»
André legte einen Arm auf Marie-Provence’ Schultern und drückte sie nieder. Ihre Haut strahlte Hitze aus, und er fühlte, wie
ihr Brustkorb sich angstvoll hob und senkte.
«Wir brauchen Licht!» Croutignacs Stimme überschlug sich. «Und wenn wir die ganze Nacht hier verbringen müssen, wir werden
sie finden!» Ihre Verfolger huschten am Fuß des Verstecks vorbei und verschwanden in der Nacht.
|518| André wartete ein paar Sekunden.
«Sie sind weg», flüsterte Marie-Provence, kaum hörbar durch das Heulen des Sturmes.
Sie reckte den Kopf, um nach unten zu spähen. Dabei streiften ihre Haare Andrés Hals und verbreiteten einen schwachen Geruch
nach Talkum, Essig und Sommerblüten, vermischt mit einem Hauch von Salz und Meer. Er richtete sich schnell auf.
«Besser, du verschwindest jetzt. Sie werden Fackeln holen und wiederkommen, um alles noch einmal genau zu durchsuchen. Du
hast nicht viel Zeit.»
«Danke», hauchte sie.
«Lass uns runterklettern», sagte er abweisend. Er sprang als Erster hinunter und hob dann die Arme, um sie aufzufangen. Schnell
stellte er sie auf die Beine. «Geh jetzt. Beeil dich.»
«André …»
Verdammt, weshalb konnte sie nicht einfach verschwinden?
«André, ich habe nicht gewusst, was mein Vater dir angetan hat, als wir nach der Landung geflohen sind, das musst du mir glauben.
Ich wollte dich mitnehmen!»
«Es macht keinen Unterschied mehr. Geh jetzt endlich!»
«Auch wenn du mir nicht glaubst: Ich weiß, wie der Schmerz sich anfühlt. Ich spüre ihn auch. Seit dem Augenblick, als ich
gemerkt habe, dass ich dich verlieren würde, wenn ich Charles befreien will.»
«Spar dir deine Reue, Marie-Provence!», stieß André aus. «Du hattest Zeit genug, dir zu überlegen, was du tust.»
Sie sah ihn fest an. «Du irrst dich, ich bereue nichts. Ich hatte keine Wahl: Ich habe zwei Menschen geliebt und dem Schwächeren
den Vortritt gegeben. Weiter nichts.»
Zorn stieg in André hoch. «Du machst es dir wirklich einfach.»
«Nein, einfach ist es nie gewesen. Zu keinem Augenblick. In keiner Sekunde. Ich habe nicht verdient, dass du das von mir glaubst.»
Sie hob den Kopf. «Jetzt allerdings könnte es einfach sein − Croutignac wird sich an dir rächen wollen. |519| Du kannst hier nicht bleiben.» Sie sah ihm in die Augen. «Komm mit mir!»
Er legte den Kopf in den Nacken und lachte leise in den Sturm. «Was denn, nach Quiberon? Um deinem Vater eine neue Chance
zu geben, mich loszuwerden?»
«Nein.» Ihre Stimme bebte merklich. «Lass uns weggehen von meinem Vater. Von Hoche und Croutignac. Ich will keine Erwartungen
mehr erfüllen oder in der Vergangenheit leben. Ich will neu anfangen.» Scheu sagte sie: «Ich … Ich sehne mich nach eigenen Kindern. Nach deinen Kindern.»
Er starrte sie an, wortlos. Mein Gott … Wie oft hatte er diese Worte ersehnt! Jede Nacht, jede Minute dieses Winters. Vergeblich. Vor ein paar Wochen noch hätte
er alles gegeben, um sie einmal zu hören. Falsch − er
hatte
alles gegeben. Er hatte ihr alles geschenkt. All seine Gefühle. All seine Leidenschaft. All
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