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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Horizont. Die englischen Schiffe, mit denen
     die Royalisten gekommen waren, patrouillierten in regelmäßigen Abständen um Quiberon und waren kein Grund zur Aufregung. Trotzdem
     nahm André pflichtbewusst das Heft in die Hand, in dem er Protokoll führte, und schrieb seine Beobachtung auf.
    Als er das Fernrohr danach ein letztes Mal wieder ansetzte, stutzte er. Der Horizont schien plötzlich dicht bevölkert   … Er zählte – und bekam feuchte Hände. Ihm war sofort klar, was diese Punkte bedeuteten. Die zweite Flotte aus England! Spione
     und Überläufer hatten Hoche schon vor längerer Zeit über den zweiten Konvoi informiert. Und alle im Lager hatten gehofft,
     Quiberon einzunehmen, bevor dieser eintraf. Seine Ankunft war ein herber Schlag für die Republikaner.
    André griff nach einem Sandsack, um ihn mitsamt der Nachricht abzuwerfen. Justin würde jubeln, denn Hoche würde noch vor den
     Royalisten informiert sein. Heute bewies die Kompanie der Luftfahrer endlich, wie nützlich ein Ballon in Kriegszeiten war.
    ***
    |523| Guy de Serdaine runzelte die Stirn, als er grußlos Marie-Provence’ Zimmer betrat. «Warum hast du deine Sachen nicht gepackt?»,
     fragte er scharf.
    Marie-Provence warf ihm nur einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Winzige Tropfen hingen in den Wimpern ihres Vaters und an
     den von der Sonne gebleichten Brauen. Der Sturm hatte wieder zugenommen. Kein Hut konnte vor dem Sprühregen schützen, der
     über die Halbinsel jagte. Mühevoll stemmte sie den schweren Deckel der mächtigen Truhe auf, vor der sie stand, und nahm sich
     Zeit, den Inhalt zu begutachten. Alle bäuerlichen Behausungen der Gegend beherbergten mindestens eines dieser kolossalen Möbelstücke,
     das zugleich Tisch, Speisekammer und Geschirrschrank war. Der Milchkrug, die Butterschale, Salz, Holzlöffel und das Kochgeschirr,
     vor allem aber das armlange schwarze bretonische Brot fanden in ihr Platz.
    Marie-Provence holte Brot, Butter und Messer hervor. «Kannst du den Deckel wieder schließen?», fragte sie.
    Nachdem ihr Vater ihrer Bitte nachgekommen war, legte sie das Essen auf der Truhe ab. Konzentriert stieß sie die Klinge des
     Messers in den Brotlaib. Krustenstückchen schossen auf den gestampften Lehmboden.
    «Das Wetter ist zu schlecht, und die Nacht bricht herein. Kein Schiff wird heute ablegen», sagte sie kühl.
    «Irgendwann hat der Sturm ein Ende, und dann will ich, dass du zur Abreise bereit bist.»
    Ihr Vater hustete. Marie-Provence hatte wegen des kühlen Wetters Feuer im breiten Kamin entfacht, doch der Sturm trieb den
     Rauch ins Zimmer zurück. Der Qualm drang unter dem steinernen Sims hervor, staute sich unter der niedrigen Decke und überzog
     die speckig glänzenden Mauern mit einer Rußschicht.
    Marie-Provence reichte ihrem Vater eine dicke Scheibe schwarzes Brot und sagte gereizt: «Wir haben bereits darüber geredet.
     Ich möchte nicht nach England. Frankreich ist meine Heimat. Hier liegen Mama und Charles begraben, und hier will ich bleiben.»
    |524| «Später wirst du zurückkommen. Wenn das Land wieder uns gehört.»
    Marie-Provence schaute zu ihm auf, eine ärgerliche Antwort auf den Lippen, hielt aber inne. Trotz aller Differenzen der letzten
     Tage zog das, was sie auf seinem Gesicht sah, ihr Herz zusammen. Er begann, die Realität zu akzeptieren, die auch sie akzeptieren
     musste. Er glaubte nicht mehr an ihren Sieg. Ein drückender Schmerz legte sich auf ihre Brust. Ihr Blick ging zum einzigen
     schmalen Fenster, das sich neben dem Himmelbett mit den groben Wollvorhängen zum Meer hin öffnete.
    Noch vor kurzem hatte es so ausgesehen, als würde sich das Blatt erneut zugunsten der Royalisten wenden. Der zweite Konvoi,
     geleitet von einem jungen Offizier namens Sombreuil, hatte tausendfünfhundert Soldaten zur Verstärkung mitgebracht, große
     Mengen an Munition, Proviant und Geld − sowie die langersehnte Entscheidung über die Befehlsgewalt an Land zugunsten Puisayes.
     Unter einer fähigen Führung hätten diese Bedingungen den Royalisten gewiss gute Chancen gesichert. Doch der Dilettantismus,
     mit dem hier zu Werke gegangen wurde, war kaum noch zu übertreffen.
    Der stolze Hervilly hatte trotz seiner Entmachtung einen Ausbruch aus dem Fort befohlen – ohne dem frisch angereisten Sombreuil
     Zeit zu geben, ihn mit seinen ausgeruhten Männern zu unterstützen, entgegen Puisayes schwachen Einwänden und wohl wissend,
     dass der Feind durch seine ständige Observation zumindest

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