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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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eine Ahnung von seinen Plänen hatte. Die Attacke, strategisch schwach
     und miserabel durchgeführt, kostete nicht nur mehreren hundert royalistischen Soldaten das Leben, sondern löschte auch über
     die Hälfte aller kämpfenden Offiziere aus – Hervilly inbegriffen.
    Marie-Provence wandte sich vom Fenster ab. Sanfter fragte sie: «Was ist passiert, Vater? Warum bestehst du plötzlich darauf,
     dass ich die Halbinsel verlasse? Bisher hast du immer gesagt, dass wir hier sicher sind!»
    |525| Guy sah erschöpft aus. Bitter stieß er aus: «Es sind heute dreißig Männer desertiert, und sie waren nicht die Ersten.»
    «Du fürchtest Verrat?», fragte Marie-Provence tonlos.
    «Es waren allesamt ehemalige republikanische Soldaten. Sie wurden während der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten
     Monate von den Engländern festgenommen und schmorten in Gefängnissen auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Als unsere Flotte
     formiert wurde, haben diese Männer zugestimmt, im Tausch für ihre Freiheit für die royalistische Sache zu kämpfen. Die Überläufer
     werden natürlich als Erstes zu Hoche rennen und ihm alles erzählen, was sie über uns wissen, um wieder in Gnaden aufgenommen
     zu werden.»
    Marie-Provence hob die Schultern. «Und wir haben noch mehr Soldaten gleichen Kalibers in unseren Reihen, ich weiß. Wenn diese
     Männer ein Risiko sind, muss man sie eben in den hintersten Teil der Halbinsel abkommandieren, weitab von den Republikanern.»
    Ihr Vater lächelte. «Das müsste man wohl.» Er sah sie unumwunden an. «Die Garnison, die das Fort bewacht, besteht zu mehr
     als der Hälfte aus diesen Überläufern, Marie.»
    Marie-Provence fröstelte. «Aber   … Aber Puisaye   …»
    «Er weiß es.»
    Marie-Provence legte entschlossen ihr Messer beiseite. «Ich lasse dich hier nicht allein, Vater.»
    «O doch, das wirst du.» Müde sagte Guy: «Ob du gepackt hast oder nicht: Beim ersten Sonnenstrahl schicke ich dich nach England.»
    ***
    «Nicht so zögerlich, Männer!», schrie der Offizier gegen den heulenden Wind an.
    Ein Brecher schlug tosend auf den schwarzen Felssockel auf, an den André sich zusammen mit den anderen klammerte. Er hielt
     mit einer Hand das sperrige Bajonett fest, das über seiner Schulter baumelte, und duckte sich. Wer |526| jetzt losließ, wurde erbarmungslos in die sturmgepeitschte See gespült. Das eisige Salzwasser schleuderte ihn an den mit Seepocken
     besetzten Stein, klatschte auf seine Lenden, beutelte ihn, rauschte an ihm herab, riss ihn mit Wucht zurück.
    Ein Schrei schreckte André auf. Da, eine Hand! Er ließ sein Bajonett auf den Rücken rutschen, schnappte nach dem hilflos rudernden
     Arm, packte das Stück einer Uniform – biss die Zähne aufeinander, als der Sog drohte, auch ihn mitzureißen. Endlich ließ die
     Welle ab.
    «Danke, Kamerad!»
    André nickte. Seine Finger waren klamm und steif. Er wischte sich die Gischt aus den Augen und sah hoch. Kaum zu erkennen
     in der Nacht, bewegte sich schemenhaft eine Silhouette am Fels. Der Soldat dort oben war am Vortag zu den Republikanern übergelaufen
     und hatte behauptet, einen Pfad zu kennen, über den man unbemerkt zum Fort gelangen konnte. Seit zwei Stunden folgten sie
     ihm nun schon, während der Himmel eine wahre Sintflut über sie ergoss.
    «Kommt, Männer! Von dieser Nacht werdet ihr noch euren Enkeln erzählen!», feuerte der Offizier sie an.
    Die Männer um André, allesamt Grenadiere, warfen sich gedämpft Scherze zu, doch ihre Stimmen klangen unsicher, selbst im Getöse
     der Elemente. Ein paar von ihnen trugen rote Jacken, die sie dem gefallenen Feind abgenommen hatten. Sie sollten nachher Verwirrung
     in den royalistischen Reihen stiften. André schwieg. Er war ein Außenseiter, der Einzige, auf dessen Knöpfen Montgolfieren
     prangten.
    Als Hoche ihn am Nachmittag zum ersten Mal seit den Ereignissen von Ménec zu sich bestellt hatte, hatte er André kurzerhand
     eröffnet: «Leutnant, ich habe ein Problem mit Ihnen. Es kursieren Gerüchte, die an Ihrer Loyalität Zweifel aufkommen lassen.»
    «Lassen Sie uns offen reden, General. Sie selbst haben mir damals das Leben der Dame zugesichert, die ich in eine Falle locken
     sollte. Croutignac aber trachtet ihr nach eben demselben. |527| Marie-Provence de Serdaine ihm auszuhändigen, wäre einem Todesurteil gleichgekommen.»
    Hoche hatte keine Miene verzogen. «Es geht hier um Pflichterfüllung, nicht darum, recht zu haben. Sie sind Soldat,

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