Die Ballonfahrerin des Königs
und auf sie gewartet hatte.
«Das ist Joachin», sagte Cadoudal. «Er wird Sie auf den Weg bringen und hier auf Sie warten, um Sie anschließend wieder zurückzurudern.»
Marie-Provence stand auf. «Haben Sie vielen Dank!»
Cadoudal fragte auch jetzt nicht, wohin sie wollte und was sie dazu bewog, mitten in der Nacht an Land zu gehen. Sein Vertrauen
spendete ihr Kraft.
«In sechs Wochen sind meine Männer und ich wieder da», sagte er. So lange, hatten Hervilly und Puisaye versprochen, würden
sie durchhalten und die Halbinsel gegen Hoche halten.
«Sechs Wochen», nickte Marie-Provence. «Wir werden sehnsüchtig auf Sie warten. Gott beschütze Sie, Georges.»
«Sie auch, Marie-Provence.»
Ihre Hand verschwand in seiner Pranke − es war ein gutes Gefühl. Sie lächelten sich ein letztes Mal durch den Sturm zu, dann
sprang Marie-Provence in das aufgewühlte Wasser. Die geifernden Wellen rissen und zerrten an ihren Beinen, zogen ihr den Sand
unter den Sohlen weg, doch sie kämpfte sich entschlossen hindurch.
|513| Als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wandte sie sich dem dunklen, schweigsamen Land zu. Einen Augenblick
lang verharrte sie, und zum ersten Mal erfasste sie so etwas wie Furcht. Doch dann gab sie sich einen Ruck. Warum zögern?
Er hatte sie gerufen. Alle Bedenken schwiegen. Sie schritt tüchtig aus, gab Joachin ein Zeichen, und ihr Herz weitete sich
vor Freude.
***
André zog seinen Zweispitz tiefer in die Stirn. Ausnahmsweise war er froh über die vielen Stofflagen, aus der seine Uniform
bestand. Als Pariser konnte er kaum fassen, dass es im Juli hier so kalt war. Schemenhaft blinkten vereinzelte Sterne am nachtschwarzen
Himmel. Der böige Wind jagte Wolkenfetzen vor die Sichel des Mondes, schüttelte die mannshohen Ginsterbüsche und brauste heulend
über das Feld der Steinriesen.
André stemmte den Rücken gegen den Wind, die Schöße seiner Uniformjacke klatschten um seine Schenkel. Die Gewalt dieser Nacht,
die so plötzlich den sonnenbeschienenen Tag verjagt hatte, war André willkommen. Nicht nur, dass sie jedes Geräusch verschluckte,
die Hoches Männer in ihren Verstecken hätten verursachen können. Er war auch dankbar für diese Wildheit, weil sie ihm über
seinen eigenen Aufruhr hinweghalf.
Beruhigend war ebenfalls die stumme Präsenz der Steinsilhouetten um ihn herum, beschienen vom Mond: endlose Reihen verwitterter
Gestalten, in regelmäßigen Abständen errichtet von Götter- oder Menschenhand, in einer Zeit, deren einzige Zeugen sie waren.
Einige Einheimische hielten sie für versteinerte Soldaten, andere für magische Wesen, die in manchen Nächten zum Leben erwachten.
Als Wissenschaftler hatte André für diesen Aberglauben wenig übrig; dennoch konnte er sich der besonderen Ausstrahlung der
Menhire von Ménec nicht entziehen.
André trat von einem Fuß auf den anderen. Sie hat sich |514| verspätet, dachte er. Ob sie es sich anders überlegt hatte? Gut möglich. Sosehr ihr Gewissen sie auch drücken mochte, sie
hatte keinen Anlass, sich seinetwegen in Gefahr zu begeben. Mit ihrem Brief an Hoche hatte sie der Moral ausreichend Tribut
gezahlt, ihre Reue zum Ausdruck gebracht und sich ruhige Nächte erkauft. Eigentlich konnte sie nur aus demselben Grund diesem
geheimen Treffen zugestimmt haben, der sie schon immer antrieb, seit sie sich kannten: Sie erhoffte sich Vorteile davon. Er
verspürte Bitterkeit. Gleichzeitig beglückwünschte er sich zu seiner Hellsichtigkeit. Hätte er schon früher über Marie-Provence’
wahre Beweggründe nachgedacht, hätte er sich nicht allzu bereitwillig von ihren Lippenbekenntnissen täuschen lassen, wäre
er heute noch sein eigener Herr.
Er musste nur noch lernen, dieser Frau nüchtern zu begegnen. Wenn ein Tropfen Säure ihn verletzte, fühlte er sich schließlich
auch nicht persönlich angegriffen − es lag in der Natur der Säure, zu ätzen, und er war selbst schuld, wenn er sich nicht
schützte. Dieselbe Distanz galt es, zu Marie-Provence einzuhalten. Sie war das Produkt einer verdorbenen, veralteten und zutiefst
egoistischen Gesellschaft, ihre Eigenschaften waren angeboren und unabänderlich.
Ein Schatten, der vor ihm auftauchte, riss André aus seinen Betrachtungen.
«Guten Abend, André.»
Ein Mondstrahl erhellte ihre Züge in der Nacht, gespenstisch weiß und zum Niederknien schön. Er versteifte sich. «Marie-Provence.»
Sie schwiegen einen Augenblick, beide
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