Die Ballonfahrerin des Königs
befangen, während er spürte, wie sie ihn betrachtete. Ihre Röcke waren nass, der Geruch
vom Meer haftete an ihnen. Ihre Augen lagen dunkel und unergründlich in ihren Höhlen, schwarze Strähnen kräuselten sich um
ihre Stirn.
«Entschuldige, dass ich dich so anstarre», sagte sie. «Trotz des Briefes, den du mir hast zukommen lassen, und obwohl ich
den
Intrépide
am Himmel gesehen habe: Erst jetzt kann ich wirklich glauben, dass es dir gutgeht.» Sie stockte. Ihre |515| Stimme bebte. «Wie kommt es, dass du hier bist? In der Bretagne?»
«Eine meiner letzten Fehleinschätzungen, dich betreffend. In dem Brief, den Rosanne mir gegeben hat, stand geschrieben, dass
du nach Osten wolltest. Also bin ich nach Westen aufgebrochen.»
«Oh.» Sie verzog die Lippen zu einem bleichen Lächeln. «Da können wir ja meinem Vater im Nachhinein noch dafür danken, dass
er mich über das Ziel unserer Flucht getäuscht hat.»
André hob die Brauen. «Danken?», fragte er zynisch. «Ich fürchte, ich verstehe nicht.»
Sie sah ihn groß an. «Nun, so haben wir uns doch wiedergesehen, und …» Sie stockte abermals, schüttelte den Kopf. «Entschuldige. Vergiss, was ich gesagt habe. Ich dachte nur, weil du dieses
Treffen vorgeschlagen hast …» Sie wischte sich mit der Hand über das Gesicht, als wolle sie ihren Mund zwingen, zu schweigen. Sie straffte die Schultern,
sah zu ihm hoch. «Was möchtest du von mir?»
«Verhandeln», antwortete er nach einem kurzen Zögern. «Hoche hat mich geschickt. Er ist bereit, Gnade walten zu lassen, wenn
ihr euch ergebt.»
«Warum sollten wir? Wir haben keine Not. Wir haben genug Munition und Waffen für halb Frankreich. Unsere Leute sind entschlossen
und kräftig, und das Meer gehört uns. Wie du siehst, ist es mir problemlos gelungen, zu unserem Treffen zu kommen. Eure Blockade
ist so löchrig wie ein altes Segel.»
«Ihr habt unzählige Frauen und Kinder zu versorgen. Und nicht genügend Trinkwasser. Dabei ist es erst Anfang Juli, der ganze
Sommer liegt noch vor euch.»
«Ist es das, was ihr glaubt, von eurem Ballon aus gesehen zu haben?» Sie zuckte die Schultern. «Ich muss dich enttäuschen:
Uns geht es blendend.»
Sie log schlecht − was ihn absurderweise irritierte. Hatte sie schon immer so schlecht gelogen? Warum war es ihr dann gelungen,
ihn monatelang hinters Licht zu führen? «Ist es |516| wegen des Jungen?», fragte André, um Sachlichkeit bemüht. «Marie-Provence, ihr müsst Vernunft annehmen. Louis-Charles wird
nie den französischen Thron besteigen. Aber vielleicht gibt es ja einen Mittelweg: freies Geleit für ihn, ein Leben im Asyl
im Ausland zum Beispiel. Doch um das zu erreichen, müsstet ihr in Verhandlungen treten.»
Sie sah ihn irritiert an. «Der Junge? Warum sagst du das? Du musst doch wissen, dass Charles tot ist!»
«Tot?»
«Es ist genau eine Woche her.» Ihr Blick verlor sich. «Die Nacht war warm und wunderbar klar …» Sie biss sich auf die Unterlippe. Mit fester Stimme fügte sie hinzu: «Croutignac war dabei, und ein paar Soldaten. Also
weiß es mit Sicherheit auch Hoche.»
Andrés Mund wurde trocken. «Croutignac ist auch hier?», fragte er. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, und er spürte überdeutlich
die Anwesenheit der Männer, die sich hinter den Menhiren verbargen. Irgendetwas war hier faul. Marie-Provence schien ähnlich
zu empfinden.
«André? Was ist los? Weißt du wirklich nichts von alledem, oder lügst du mich an? Hier stimmt doch was nicht!»
Kaum hatte sie die letzten Worte gesprochen, hallte eine Stimme durch die Nacht. «Auf, Männer! Schnappt sie euch!»
Marie-Provence fuhr zusammen. «Croutignac!», schrie sie. Sie riss den Kopf hoch und starrte André an, Entsetzen und Ungläubigkeit
im Gesicht.
Als sich die Gestalten von den Menhiren lösten, sah es einen gespenstischen Augenblick lang tatsächlich so aus, als würden
Geister aus ihren steinernen Hüllen treten.
André packte Marie-Provence’ Handgelenk.
«So ist es richtig! Halten Sie sie fest, Levallois!», schrie eine bekannte Stimme.
André konnte es nicht fassen. Es war tatsächlich Croutignacs stumpfes Haar, das dort drüben im Mondschein aufleuchtete. Wie
in einem Wirbel sah er sich plötzlich auf der place de la Révolution stehen. Sich, Marie-Provence. Und |517| diesen Mann, der versuchte, Marie-Provence unter das Fallbeil zu zerren.
Er wird sie töten!
Die Gewissheit durchzuckte ihn wie ein Blitz. Er machte
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