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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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leichtgefallen, auf die Halbinsel zurückzukehren. Zu viel Schreckliches war hier geschehen. Doch erst als sie all die
     Güter versammelt sah, die die Royalisten aus England mitgebracht und überall auf Quiberon gehortet hatten, wurde ihr bewusst,
     über wie viele Ressourcen ihr Lager verfügt hatte: Wein, Rum und Schnaps, Öl, Essig und Kaffee, Reis, Pökelfleisch, Stockfisch,
     Tabak, Zucker und Kekse stapelten sich auf dem Kai. Das Mehl reichte aus, um die republikanische Armee ein halbes Jahr lang
     zu ernähren, die Waffen und Uniformen konnten dreißigtausend Mann ausrüsten, und die unglaublichen Mengen an falschen Assignaten
     hätten, wenn sie auf den Markt gekommen wären, die Wirtschaft Frankreichs in den Ruin treiben können.
    Marie-Provence hatte gehofft, das Schwelgen in seiner Kriegsbeute würde den General milde stimmen. Aber sie wurde bitter enttäuscht:
     Hoche plagte die Verfrachtung der Güter. Wagen und Tiere gab es nicht, und eine Verschiffung war wegen der noch immer patrouillierenden
     englischen Flotte nicht möglich. Zudem fluchte der General über Plünderungen von Seiten seiner eigenen Männer. Statt eines
     verständnisvollen Vorgesetzten hatte Marie-Provence einen Mann angetroffen, der Andrés Verhaftung guthieß. «Ich hatte Leutnant
     Levallois gewarnt. Er wusste, dass während dieses Manövers viel für ihn auf dem Spiel stand. Aber er hat sich und seiner Kompanie
     Unehre gemacht», hatte der General ihr mit verschlossener Miene geantwortet. Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen gewesen,
     und Marie-Provence war unverrichteter Dinge wieder nach Auray zurückgekehrt.
    Als Nächstes hatte Marie-Provence auf Théroigne gesetzt |556| und deren Verbindungen zu den Chouans. Doch diese waren entweder im Gefängnis oder auf der Flucht, wenn sie nicht gerade mit
     Cadoudal durch das Hinterland zogen – im Vertrauen darauf, dass Hervilly und Puisaye ihr Versprechen hielten, Quiberon sechs
     Wochen lang zu halten. Das Netzwerk der Aufständischen war zerrissen und funktionierte nicht mehr. Auf sie konnte Marie-Provence
     also auch nicht bauen.
    Entmutigung breitete sich in ihr aus. Die Gefahr, in der André schwebte, Charles’ Tod, die Niederlage der Royalisten, der
     Bruch mit ihrem Vater – die letzten Wochen hatten enorm an ihren Kräften gezehrt. Sie war es leid, so zu tun, als sei sie
     stark. Sie konnte nicht mehr. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. André sprach kaum mit ihr, wenn sie ihn im Gefängnis besuchen
     kam. Und wenn, dann nur ablehnende Worte. Er hatte sie vor Croutignac gerettet, als sie sich bei Ménec getroffen hatten, ja,
     das stimmte. Aber anschließend hatte er sie zurückgestoßen. Sie musste sich also darauf gefasst machen, dass sie André vielleicht
     für immer verloren hatte.
    Sie richtete sich im Sattel auf und stieß ihre Hacken in den Bauch des Maultiers. Auf einmal konnte sie es kaum erwarten,
     ihr Ziel zu erreichen. Es konnte nicht mehr weit sein. Als sie noch auf Quiberon war, hatte sie vom Fort aus über Stunden
     hinweg hier hinübergesehen; sie war sich sicher, dass sie die richtige Richtung eingeschlagen hatte.
    Als sie eine Anhöhe erreichte, machte Marie-Provence halt. Sie tätschelte den feuchten Hals des Reittieres. Dünne Wolkenschleier
     zogen hoch über ihrem Kopf dahin. Seit der Einnahme von Quiberon und dem schrecklichen Sturm, der damals gewütet hatte, war
     kein Tropfen mehr vom Himmel gefallen. Marie-Provence ließ den Blick über die wilde Landschaft schweifen, die struppige, felsenübersäte
     Heide, die Ginsterbüsche und die gedrungenen Eichen. Von hier aus hatte Hoche Quiberon belagert. Bollwerke zersägten im Zickzack
     die Landzunge zwischen der Bucht von Plouharnel und dem offenen Ozean. Unbenutzte Steinquader und |557| Balken lagen herum, neben ihnen der Mist, den der General hatte beimischen lassen, um dem sandigen Boden Stabilität zu verleihen.
     Und zu ihrer Rechten   … Marie-Provence atmete auf, als sie endlich das Ziel ihrer Reise erblickte: Prall und atemberaubend schön hob sich der
Intrépide
gegen den glühenden Sommerhimmel ab. Ein letztes Mal trieb Marie-Provence ihr Reittier zu einem schnellen Trott an, und dann
     hing der Ballon vor ihr, nur kurz über dem Boden, in greifbarer Nähe.
    Sie sprang ab. Erinnerungen überfielen sie. Die alte Schmiede. André, über Baupläne gebeugt. Sägespäne auf seinen Armen. Die
     Seidenballen, die vom Wagen geladen werden. Flüssiger Stoff, der in dreifarbigen Kaskaden

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