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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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fragte er mit der Stimme von einem, der sehr lange nicht gesprochen hatte.
    «Ich werde dich hier rausholen, André.» Und ihre Liebe zu ihm drohte sie zu überwältigen.
    «Du hättest nach England fahren sollen, solange du es noch konntest», sagte er ablehnend.
    |553| Eine kindliche, siechende Stimme klang in ihr nach:
Ich habe dich manchmal auch gehasst, Marie. Wenn du an der vergitterten Tür gestanden und zu mir hineingeguckt hast, und ich
     war drinnen.
Sie blinzelte und sagte fest: «Gut so, sei zornig. Das macht dich stark. Hass sie alle. Hass auch mich, wenn du willst. Hauptsache,
     du gibst nicht auf.» Als sie vom Gitter zurücktrat, zitterten ihre Hände. Doch sie war äußerlich ruhig, als sie zum Chirurgen
     aufschloss, der im Hof auf sie wartete.
    ***
    Sie kam jeden Tag. Er hörte es bereits am Klang, wann sie sich näherte. Der schwere Takt der Stiefel des Wärters war dann
     von dem leiseren, hellen Aufschlagen ihrer Sohlen begleitet. Wenn er ihr Kommen hörte und er auf seiner Pritsche lag, war
     es ihm, als existiere die Tür zwischen ihnen nicht und sie ginge auf ihn zu. Er stellte sich den Rhythmus ihrer Schritte vor
     und das Schwingen ihrer Arme, ihre zugleich weiche und entschiedene Art, auszuschreiten, die ihm so vertraut war wie ihr Lachen,
     der Geruch ihres Haars oder der Geschmack ihrer Haut.
    Wann hatte er begonnen, auf sie zu warten? Er wusste es nicht. Die Erwartung hatte sich eingeschlichen, unbemerkt. Irgendwann
     war ihm aufgefallen, dass er, wie jedes gefangene Tier, das nach Abwechslung lechzt, den Augenblick herbeisehnte, in dem die
     Klappe vor dem kleinen Gitter aufging und er den Ausschnitt ihres Gesichtes sah. Helle Haut, Augen, graugrün wie das stürmische
     Wasser in der Bucht von Quiberon.
    Im dem Augenblick jedoch, wenn er sie sah, verpuffte die Sehnsucht. Sein alter Zorn wallte in ihm auf, und er knurrte Marie-Provence
     an wie ein bissiger Hund.
    Er wusste, dass sie versuchte, ihn zu befreien, denn das hatte sie gesagt. Er wusste auch, dass sie keinen Erfolg haben würde.
     Seit der Nacht seiner Gefangennahme war ihm klar, dass er in dieser Gesellschaft keine Zukunft hatte. Bisher |554| hatte er die Ursache für das Chaos in seinem Leben bestens gekannt: Marie-Provence und ihr Vater hatten ihn benutzt und betrogen.
     Die Zerstörung von Zéphyr, der Verlust seiner Erbschaft, seine Ächtung und seine Zwangsrekrutierung gingen allein auf das
     Konto der Serdaines. Doch die Einnahme des Forts, die Sturheit seiner Vorgesetzten, das Blutbad während der Eroberung der
     Halbinsel und nicht zuletzt der Hass, mit dem die hier eingesperrten Chouans sich auf ihn, den einzigen Träger einer blauen
     Uniform, gestürzt hatten, hatten gründlichen Widerwillen in ihm hervorgerufen.
    Irgendwo, darin gab er dem Offizier recht, der ihn verhaftet hatte, war er tatsächlich ein Verräter. Würde er freigelassen,
     müsste er desertieren. Der Dienst in der Armee war für ihn unmöglich geworden. Er hatte nicht nur sämtliche Güter und sein
     Ansehen verloren, er fühlte sich entwurzelt bis in die Tiefe seiner Seele. Er war nicht mehr bereit, sich zu verbiegen oder
     Kompromisse einzugehen. Auch nicht während eines Prozesses, auch nicht, um zu überleben.
    Was immer Marie-Provence aushandelte, sie konnte ihn nicht retten, denn seine Überzeugungen waren nicht verhandelbar.
    ***
    Marie-Provence trieb ihr mageres Maultier an. Eigentlich war es zu heiß für einen Ausritt. Die Sonne brannte erbarmungslos
     auf ihre Strohkappe und ihre Handrücken, und das Reittier ließ ergeben die langen grauen Ohren hängen. Doch nach einer schlaflosen
     Nacht hatte Marie-Provence etwas gebraucht, was ihr neue Kraft spenden würde, und so hatte sie sich schon früh auf den Weg
     in Richtung Sainte Barbe gemacht.
    Sie wusste nicht mehr weiter. Seit Tagen setzte sie alle Hebel in Bewegung, um André zu helfen. Doch egal, an wen sie sich
     wandte, überall stieß sie auf verschlossene Türen.
    Als Erstes hatte sie Hoche aufgesucht. Schließlich hatte der General bereits einen Brief von ihr erhalten, ihr Name |555| war ihm geläufig. Das und ihre gemeinsame Haft in La Force hatten sie hoffen lassen, dass der General, der für seine Gerechtigkeit
     bekannt war, ihr Gehör schenken würde. Nachdem sie den langen Weg zu seinem Quartier bewältigt hatte, wurde ihr beschieden,
     dass Hoche auf Quiberon war, zur Bestandsaufnahme der Güter, die die Royalisten zurückgelassen hatten. Es war Marie-Provence
     nicht

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