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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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seiner fleischigen Nase war grobporig wie die einer Orange. Laut
     rief er: «Wer bist du? Was machst du in meinem Schlafzimmer?»
    «Ihr Schlafzimmer   …?»
    Was danach geschah, wusste Marie-Provence nicht mehr. Schreie und Stimmen, aufgeregt, laut, außer sich. Eine gebieterische
     Geste des Mannes. Man brachte ihm etwas. Einen Morgenmantel. Vaters Morgenmantel!
    Der Anblick des grünseidenen Morgenmantels war es, der sie endgültig die Fassung verlieren und sich auf den Mann stürzen ließ.
     Wie konnte er es wagen, das Kleidungsstück mit seinem Körpergeruch zu besudeln? Seine schuppige Haut in die kühle Seide zu
     wickeln? Die Wut, die auf einmal in ihr aufflammte, war unermesslich. Sie versuchte, ihre Nägel in sein Gesicht zu krallen,
     erwischte aber nur seinen Arm.
    Auf einmal griffen unzählige Hände nach ihr. Sie wehrte sich heftig. Die Kräfte der Verzweiflung ließen sie die Finger, die
     sie packten, abwehren und zur Tür hasten. Nur zwei Sekunden
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später war sie draußen, auf der Straße. Ihr Leben als Vertriebene und Gesetzlose hatte in diesem Augenblick begonnen. Und
     die bohrende Frage, was aus ihren Eltern geworden sei, haftete seither an ihr.
    Capitaine Zeller, der an ihrem Arm zerrte, zwang Marie-Provence in die Gegenwart zurück. Er wandte sich an den Mann: «Mit
     Verlaub, citoyen, der Soldat Francjeu hat diese Frau unter einem fadenscheinigen Vorwand hier eingeschleust.»
    «Dann ist er entweder ein Idiot oder ein Komplize. Auf jeden Fall muss er mit der Frau verhaftet werden», sagte Croutignac
     ruhig.
    Francjeu stieß einen kehligen Laut aus, und Croutignac drehte sich zu ihm. «Oder hast du die Frau kontrolliert, Soldat? Hast
     du ihre Papiere gesehen?»
    Der arme Francjeu schwitzte heftig. «Aber natürlich», krächzte er, ohne Marie-Provence anzusehen. «Sie heißt Duchesne. Ihre
     Papiere sind in Ordnung, bestens in Ordnung!»
    «Wunderbar.» Croutignac lächelte. Marie-Provence richtete sich auf, als er sich zu ihr wandte. Er streckte eine Hand aus.
     «Nun denn, citoyenne Duchesne, deine Papiere!»
    Der Griff von capitaine Zeller wurde noch fester, machte deutlich, dass Flucht ausgeschlossen war. Wohin auch hätte sie laufen
     sollen? Der Turm, vor dem sie stand, war der bestbewachte der ganzen Stadt. Marie-Provence versuchte verzweifelt, ihre Lage
     einzuschätzen. Anscheinend hatte Croutignac in ihr nicht die Frau erkannt, die ihn eines Morgens überfallen hatte. Er hatte
     damals keine Brille getragen, und das Zimmer war dunkel gewesen. Andererseits, war das angesichts der jetzigen Umstände überhaupt
     noch wichtig? Papiere hatte sie keine, und Croutignac würde sie gewiss festnehmen lassen, bis ihre wahre Identität festgestellt
     worden wäre. Und wenn der Name Serdaine erst einmal fiel   …
    «Nun, wird’s bald?», fragte Croutignac und wedelte ungeduldig mit den Fingern. «Wie du willst. Dann wirst du eben durchsucht.
     Francjeu!»
    |88| Marie-Provence schloss die Fäuste. Wut flammte in ihr auf. «Nein!» Sie würde sich nicht noch einmal von Croutignac demütigen
     lassen! «Besinn dich, citoyen Croutignac!», fauchte sie. «Du kennst mich! Kannst du dich wirklich nicht an mich erinnern?
     Wir standen uns schon einmal gegenüber   …»
    «Sie hat recht.» Eine Gestalt löste sich aus dem dunklen Eingang. «Du hast sie gesehen, als du in der maison de la couche
     zu Besuch warst, Cédric.»
    «Docteur!» Croutignac lächelte. «Bist du fertig mit deiner Visite?»
    «Das bin ich.» Jomart erwiderte Croutignacs Lächeln nicht. «Darf ich fragen, weshalb du meine Assistentin festhalten lässt?»
    «Ich wollte Ihnen das Mikroskop nachbringen, docteur!», rief Marie-Provence.
    «Vielen Dank für Ihre Mühe, meine Liebe. Sehr freundlich. Erinnern Sie mich daran, Ihnen die Kosten für die Fahrt zu ersetzen.»
    «Citoyen docteur», mischte capitaine Zeller sich ein, «du willst uns doch nicht glauben lassen, dass du dieses Gerät für deine
     Visite brauchst! Ich weiß zwar nicht, wozu es sonst gut ist, doch für die Untersuchung unseres Patienten hier ist es ganz
     bestimmt nicht nötig.»
    «Natürlich nicht. Aber das Mikroskop nehme ich immer mit. Die citoyenne Duchesne kann nicht wissen, dass ich es hier nicht
     brauche, so fähig sie auch sonst ist.» Jomart nickte Croutignac zu. «Gewiss ist es in deinem Sinne, Cédric, wenn ich im Heim
     nicht lange erläutere, womit ich mich hier beschäftige.»
    «Selbstverständlich.» Croutignac gab ein Zeichen. «Lass

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