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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Schulter und drehte sie mit sanftem Druck wieder zu sich. Sie genoss |209| das Gefühl seiner Wärme und wünschte sich, er würde seine Hand belassen, wo sie war, doch er zog sie zurück. «Warum sollte
     ich? Es war ein Unfall. Niemand hat gewusst, dass es so kommen würde.» Ernst fügte er hinzu: «Ich habe es fast vergessen,
     Marie. Und wenn die Verbände ab sind, werde ich es ganz vergessen haben.»
    Marie-Provence schluckte. Sie wusste, dass das nicht stimmte. Niemand erlebte, was André durchlitten hatte, ohne davon verändert
     zu werden. Sie sah ihn an, erfüllt von der Sehnsucht, er möge sie an sich ziehen, wie damals, als sie über die Stadt trieben,
     als seine Lippen nach Champagner schmeckten und alles möglich schien.
    André sah sich um. «Und was sagt dein Vater dazu?» Sein Mund zuckte spöttisch. «Mich wundert, dass er dich hier alleine wohnen
     lässt. Er machte auf mich nicht den Eindruck eines liberalen Mannes, der seine Tochter unbeaufsichtigt den Gefahren der Großstadt
     überlässt.»
    Marie-Provence machte einen halben Schritt zurück. «Ich arbeite hier, und meine Arbeit ist wichtig.»
    «Auch für ihn?»
    «Auch für ihn, ja.»
    «An seiner Stelle würde ich dir ans Herz legen, eine Arbeit zu finden, die näher an Maisons liegt.»
    Sie sah ihn ernst an. «Wir werden gesucht, André. Der Name Serdaine steht ganz oben auf den Fahndungslisten der Polizei. Es
     gibt nicht viele Orte, an denen ich mich einigermaßen sicher fühlen kann. Die maison de la couche ist so ein Ort.»
    Er betrachtete sie prüfend. «Letztes Jahr sind alle Mitglieder des Adels für gesetzlos erklärt worden.»
    «Mein Vater und ich sind mehr als gesetzlos, André.» Sie lächelte spöttisch. «Wir sind   … vogelfrei.»
    Er schreckte nicht zurück. «Was habt ihr gemacht?»
    «Nichts, dessen wir uns schämen müssten, glaub mir.»
    «Ich glaube dir. Hingegen glaube ich nicht, dass du nur bei Jomart bleibst, um einer sicheren Arbeit nachzugehen.» Zwei senkrechte
     Falten bildeten sich an Andrés Nasenwurzel. «Du |210| erzählst mir nicht alles. Du hast mir einmal klargemacht, dass ich mich damit abfinden muss, aber ich wünschte, es wäre anders.»
    Marie-Provence war, als würde der Schatten ihres Vaters hinter ihr stehen und sie beobachten. Zwei Wochen, dachte sie. Ihre
     Schultern verspannten sich schmerzhaft. «Du hast recht», sagte sie. «Es gibt noch mehr, was mich im Waisenheim hält.» Sie
     ging ein paar Schritte auf und ab. «Jomart macht öfters Krankenbesuche außerhalb der maison de la couche, und ich begleite
     ihn dabei gelegentlich.» Sie schob eine der Margeriten tiefer in die Vase. «Einmal in der Woche gehen wir ein Kind besuchen.»
    André versuchte, zu verstehen. «Ein Kind, zu dem du eine besondere Beziehung hast?»
    Sie betrachtete ihn. Mit klopfendem Herzen sagte sie: «Ein Kind, das im Temple lebt. In der Grande Tour.»
    «Was sagst du da?» Andrés Augen weiteten sich jäh. Er wurde bleich. «Der Sohn von Louis XVI.   Der junge Louis-Charles!» Er fasste sich an die Stirn. «Jomart und du, ihr geht jede Woche den kleinen Capet besuchen? Wie
     um alles in der Welt kommt ihr dazu?»
    Sie hielt sich kerzengerade. «Jomarts Schwager Croutignac ist mit der Aufsicht des Kindes betraut.»
    «Und dein Vater weiß, dass du in den Temple gehst?»
    «Mein Vater ist capitaine der Garde des Königs gewesen. Unsere Familie war seit jeher königstreu.»
    André lief erregt hin und her. «Mein Gott, ich fasse es nicht! Du sagtest doch, ihr werdet gesucht! Der Temple ist von Soldaten
     und Spionen geradezu bepflastert! Wie können Jomart und dein Vater dich in eine solche Gefahr bringen?»
    Brüsk erwiderte sie: «Jomart? Mein Vater? Glaubst du, ich kann nicht für mich entscheiden? Ich selbst habe dafür gesorgt,
     Einlass in den Turm zu bekommen.»
    «Aber warum? Was willst du damit erreichen?»
    «Es ist ein Kind. Ihm wird großes Unrecht angetan. Und ich will ihm helfen, so weit es in meiner Macht steht.»
    «Ihm helfen?», fragte André. «Marie, sei mir nicht böse, |211| wenn ich jetzt ehrlich zu dir bin − aber glaubst du wirklich, dass es den Einsatz lohnt? Dass der Junge aus dem Lächeln, das
     du ihm einmal in der Woche schenkst, so viel Nutzen zieht, dass es gerechtfertigt wäre, jedes Mal dein Leben zu riskieren?»
    Sie hielt seinem Blick stand. «Woher willst du wissen, dass es nur mein Lächeln ist, das ihm nutzt?»
    Er schüttelte heftig den Kopf. «Nein, Marie-Provence. Dein

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