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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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widersprach Marie-Provence. «Schließlich wurde mir nur deshalb regelmäßiger
     Zugang zum Gefängnis gewährt, weil ich an besagtem Tag die Menschenrechte verteilt habe und gerade weil die Menschen Marianne
     aus mir gemacht haben. Croutignac nutzt meine Popularität für seine Zwecke, um |216| die Menschen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Jungen zu beruhigen und den Gerüchten über dessen Tod entgegenzutreten.
     Ich schlage vor, wir drehen den Spieß einfach um und beuten unsererseits Croutignac aus, indem wir vor seiner Nase an der
     Befreiung des Kindes arbeiten.»
    «Für mich hört sich das schlüssig an.» Batz sah in die Runde. «Gibt es noch Fragen an Mademoiselle de Serdaine?»
    Der Journalist Saison schüttelte den Kopf.
    «Nein», antwortete Poura.
    «Mir gefällt der Gedanke, dass Marianne den König befreit», lächelte Assmendi und kratzte sich an der Wange.
    «Très bien», schloss Batz. «Dann schlage ich vor, dass wir die Sache auf sich beruhen lassen. Unser Freund Serdaine hat in
     der Vergangenheit seine Ergebenheit ausreichend unter Beweis gestellt und unserer Sache bereits mehr als genug geopfert, als
     dass wir seine Tochter nicht mit offenen Armen aufnähmen. Machen wir uns also an die Arbeit.» Er nickte. «Sie sind dran, Poura.»
    «Gerne. Sie müssen wissen, Serdaine, wir waren nicht untätig während Ihrer Abwesenheit.» Der ältere Mann griff zu einer großen
     Rolle. «Helfen Sie mir bitte?»
    Mit vereinten Kräften entrollten sie das steife Blatt und hielten es fest.
    «Dies, Messieurs und Mademoiselle», sagte Poura feierlich, während seine blaugeäderte Hand über die Linien auf dem dicken
     Papier lief, «ist der nordöstliche Teil von Paris. Und dort», er klopfte auf einen Punkt, und zum ersten Mal erhellte so etwas
     wie ein Lächeln sein ernstes Gesicht, «dort ist die Tür, durch die wir den König von Frankreich aus dem Temple bringen werden.»
    ***
    «Nun mach schon! Lauf schon los, du störrisches Tier!», schimpfte Rosanne. «Ich weiß, dass du schneller laufen kannst!» Sie
     stieß die Hacken ihrer Schuhe in den fassrunden Bauch des Tieres. Das Maultier legte die Ohren an und stieß |217| einen markerschütternden Schrei aus. Es machte drei schnellere Schritte, dann blieb es stehen.
    Rosanne fluchte. Sie war in einer Stadt geboren und aufgewachsen. Tiere sah sie am liebsten zerteilt im Kochtopf, und sie
     hatte bis heute stets um alles einen Bogen gemacht, was größer als eine Katze war.
    Das Maultier rupfte ein Büschel heißer Löwenzahnblätter vom Wegesrand. «Na warte!», schniefte Rosanne. Sie fasste an ihren
     Strohhut und zog eine lange Hutnadel aus ihrer Frisur. Dann packte sie mit der Linken die Mähne des Tieres fester, gab den
     Damensitz auf und setzte sich rittlings auf den knochigen Rücken. Schließlich überprüfte sie kurz, ob ihre Tasche auch gut
     befestigt war. Wilde Entschlossenheit fuhr durch ihre Glieder.
    «Warte nur!», stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen aus. Dann stach sie die fingerlange Nadel in den grauen Pelz.
    ***
    Verblüfft betrachtete Marie-Provence die stark vergilbte Karte. Noch nie hatte sie etwas Ähnliches gesehen. «Das soll Paris
     sein?», fragte sie zweifelnd.
    «Aber ja. Nur von einer anderen Perspektive, als Sie es vermutlich kennen», sagte der Baron de Batz. «Was Sie hier sehen,
     ist eine Karte des Untergrundes der Stadt.»
    Marie-Provence runzelte die Stirn. «Das ist der Sockel der Bastille, nicht wahr? Und diese Linien hier, die von dem Sockel
     ausgehen   …?»
    «Sind die Geheimgänge, die aus und zu dem Gefängnis führten.»
    «Wo haben Sie das her?», staunte Marie-Provence.
    «Monsieur de Poura hier gehörte der Garde der Bastille an», erklärte ihr Vater. «Er war dort Offizier und hat unter dem Kommandanten
     de Launay gedient, als das Gefängnis gestürmt wurde. Wegen seiner Kriegsverletzung gehörte Monsieur de Poura nicht der aktiven
     Wache an. Ihm war die |218| Erhaltung und Pflege der dort untergebrachten Archive der Polizei anvertraut worden.»
    Marie-Provence betrachtete den alten Soldaten mit neuem Interesse. Die zerstörte Bastille war eigentlich nicht mehr als ein
     schlechtgebautes Staatsgefängnis ohne großen strategischen Wert gewesen, das von Kriegsveteranen bewacht worden war. Bereits
     fünf Jahre vor Beginn der Revolution hatte der König geplant, die Bastille aus Kostengründen abreißen zu lassen. Der berühmte
     Sturm des Volkes vom vierzehnten Juli hatte statt der

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