Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
gewesen wäre, in mühelosen Relativismus zu verfallen. Es gab Lügen, und es gab Wahrheiten. Es gab Tatsachen, und es gab Fälschungen. Zeigt dir jemand einen Penny mit zwei Köpfen, weißt du, dass das eine Fälschung ist , hatte er einmal gesagt. Aber du weißt auch noch etwas anderes.
Was denn?, hatte Belknap gefragt.
Jared lächelte träge. Du solltest auf Kopf setzen .
Seine Gedanken kehrten zu dem zurück, was der Omaner über Genesis erzählt hatte – zu den schrecklichen Strafen, die jeden trafen, der sich ihm widersetzte. Konnte Jared sich wirklich in der Hand dieses Ungeheuers befinden? Belknap erschauderte bei diesem Gedanken. Und wie hatte jemand seine oder ihre Identität trotz der ausgeübten gewaltigen Macht so strikt geheim halten können? Ein Schattenreich, das die Welt umspannt.
Magensäure ließ Belknaps Speiseröhre brennen, als er mit dem Geländewagen am Straßenrand hielt und zum dritten Mal innerhalb einer Stunde versuchte, Gomes zu erreichen. Der jüngere Agent war zuvor wohl in einer Besprechung gewesen, und Belknap dachte nicht daran, eine Nachricht für ihn zu hinterlassen. Diesmal war Gomes an seinem Platz, und als Belknap ihm die Situation erklärte, stellte er ein paar Nachforschungen an, die rasch die schlimmsten Befürchtungen bestätigten. Navajo Blue – Thomas Mitchell – lebte tatsächlich nicht mehr. Ein Streifenwagen aus Wellington, New Hampshire, war zu seinem Haus geschickt worden und hatte ihn tot aufgefunden. Der Tod war vor schätzungsweise sieben Stunden eingetreten. Ursache vorerst unbekannt. Kein Hinweis auf eine Gewalttat. Keine Beweise.
Außer dass Belknap ihn in den Tod geschickt hatte.
Er hatte ihn losgeschickt, um Andrea Bancroft überwachen zu lassen, aber ihre Listigkeit, ihre Skrupellosigkeit unterschätzt – oder die der Leute, die sie beschützten.
Wegen seines Fehlers war jetzt ein Mann tot.
Gomes lieferte ihm die verlangten weiteren Informationen über Andrea Bancroft. Die scheinbare Harmlosigkeit ihrer öffentlich bekannten Biografie bewies vielleicht nur, wie geschickt sie sich zu tarnen wusste. Sie war erkennbar hochintelligent, verfügte über gewaltige Ressourcen.
Konnte sie Genesis sein?
Belknap rasselte die Namen von einem Dutzend staatlicher Datenbanken herunter. »Ich brauche folgende Informationen«, erklärte er Gomes.
Dieses Mal protestierte der junge Analyst nicht. Navajo Blues Tod würde nicht ungerächt bleiben. Die Frau würde sich vor Gericht verantworten müssen.
Oder Belknap würde selbst brutal Gerechtigkeit üben.
Teil zwei
Kapitel zehn
DURHAM, NORTH CAROLINA
Andrea Bancroft versuchte auf dem zweistündigen Flug von New York zum Raleigh-Durham International Airport in North Carolina zu dösen, aber ihr Verstand arbeitete weiter auf Hochtouren. Es war Abend geworden, bis Walter Sachs ihr eine CD-ROM mit entschlüsselten Dateien geben konnte. Zu Hause am PC hatte Andrea sie gesichtet, bis ihr die Augen brannten. Sie fand einige Memos von Mitarbeitern, Dutzende von Excel-Arbeitsblättern, Dateien über das »Lebenszyklus-Management von Aktiva« im Oracle-Format und vieles andere. Öffnen konnte Andrea sie alle mühelos, aber sie zu analysieren kostete Zeit und Aufmerksamkeit.
Das eigentliche Rätsel war zwischen den aufgezeichneten finanziellen Transaktionen versteckt: Hunderte von Millionen Dollar waren an eine namenlose Forschungseinrichtung im Research Triangle Park gegangen, und die Freigabecodes schienen zu zeigen, dass alle Überweisungen von Dr. Paul Bancroft genehmigt worden waren. Die hinter einem Dutzend Tarnkonten versteckten Transfers verkörperten leicht den größten Haushaltsposten der Stiftung. Aber wie Andrea rasch feststellte, war die Einrichtung auf keiner Karte zu finden. One Terrapin Drive lautete die Adresse in den Akten, und sie vermutete, sie müsse in dem als Research Triangle Park bekannten dreihundert Hektar großen Kiefernwald liegen. Aber sie war nirgends eingezeichnet.
Der Research Triangle Park war seinerseits eine gewisse Anomalie. Sein Motto lautete »Wo die Intelligenz der Welt sich trifft«, aber wem er gehörte, war nicht recht klar. Die amerikanische Post betrachtete ihn als eigene Gemeinde, und obwohl
Durham in gewisser Weise dafür zuständig war, gehörte er zu keiner der benachbarten Townships. Dort gab es einige der schnellsten Supercomputer der Welt, Forschungslabors einiger Pharmafirmen und auch mehrere Denkfabriken. Aber auf dem Papier war er weder öffentlich noch
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