Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Hauptverzeichnis des Computers einzusehen. »Hier ist jede Menge Zeug gespeichert. Hauptsächlich Datensätze.«
»Fang mit den neuesten an«, verlangte sie.
»Sie sind einheitlich verschlüsselt.«
»Wie ich gesagt habe.« Sie goss sich noch etwas von dem »Ruhespender« ein – anscheinend eine Art Kamillentee, aber da dies ein vegetarisches Restaurant war, trug alles niedliche Namen. Der Keramikbecher fühlte sich an ihren Lippen unangenehm rau an.
Walter startete den Computer neu, indem er eine Tastenkombination gedrückt hielt: F8, Strg und mehrere andere, die Andrea nicht mitbekam. Statt des Begrüßungsbildschirms war nun auf dem Monitor nur eine einzige Befehlszeile zu sehen. Walter arbeitete
auf der Ebene des Quellcodes. Er tippte ein paar Zeilen ein, dann nickte er weise. »Eine Standard-Verschlüsselung«, sagte er, »wie sie heutzutage viele Unternehmen verwenden.«
»Leicht zu knacken?«
»Als ob man eine Sardinendose aufmacht«, sagte Walter angestrengt blinzelnd. »Mit den Fingernägeln.«
»Jessas. Wie lange?«
»Schwer zu sagen. Ich muss die Kiste mit einem weiteren Computer zusammenschließen. Sie mit meiner Dicken Bertha verbinden. Draußen im Shareware-Land gibt’s ein paar ziemlich gute Dosenöffner. Ich lade ein Dutzend dieser Dateien herunter und bombardiere sie mit allem möglichen Scheiß. Ungefähr so, als wenn man ein Fenster einschlägt, um die Haustür aufsperren zu können. Ich meine, ich will im Prinzip einen einseitig gerichteten Hash-Algorithmus umkehren, um einen Keil zu bekommen, mit dem ich das Modul zwischen zwei 1024-Bit-Hauptbereichen aufspalten kann, was die Sache etwas kompliziert macht.«
Andrea legte den Kopf schief. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Dann habe ich mit mir selbst gesprochen, denke ich. Wäre nicht das erste Mal.«
»Du bist ein Schatz.«
»Dadurch gerate ich nicht in heißes Wasser, stimmt’s?«
»Natürlich nicht. Das würde ich niemals zulassen. Lauwarm, klar. Vielleicht auch warm . Warm ist in Ordnung, nicht wahr?«
»Du hast’s faustdick hinter den Ohren, Andrea Bancroft, das steht fest.«
»Wie meinst du das?«
Walter schob die Unterlippe vor, während er den Maschinencode begutachtete, der jetzt den Bildschirm füllte. »Wer sagt, dass ich mit dir geredet habe?«
Er musste tot sein. Navajo Blue hatte sich bereit erklärt, Castors Auftrag auszuführen, und war dabei ermordet worden. Das war die einzig logische Erklärung für die Tatsache, dass der Mann sich nicht zur vereinbarten Zeit gemeldet und seither unter keiner seiner Nummern mehr erreichbar war. Belknap fühlte Übelkeit und Zorn in sich aufsteigen und merkte, dass er gefährlich schnell fuhr. Was hatte er heute erreicht? Mehr Gutes als Schlechtes? Er hatte – auf der Habenseite, wie er hoffte – Bas und seine Schwester in ihrem Dorf abgesetzt, das wie ein Klumpen aus grauen Flechten auf einer rosenfarbenen Felsterrasse lag. Er hatte den Jubel und die Freudenrufe der Dorfbewohner noch im Ohr, als er davonfuhr, und war in Gedanken wieder bei dem Prinzen und seinem billigen Tand. Solche Ausbeutung. Solche Verderbtheit. Solche Missachtung menschlichen Lebens in einem Gebiet, in dem jegliche Art Leben an ein Wunder grenzte!
Und was würde aus dem zwölfjährigen Bas werden? Würde er der Imam werden, zu dem sein Vater ihn bestimmt hatte? Oder würde er der nächsten Cholera- oder Typhusepidemie zum Opfer fallen? Oder einer Stammesfehde? Würde er ein Terrorist oder ein Helfer der Menschheit werden? Würden seine bösen Jugenderlebnisse später schlimme Früchte tragen – oder würde er ihretwegen erst recht Gutes bewirken wollen? Dafür gab es keine Garantie. Der Junge war intelligent, beredt und schon jetzt gebildeter als die meisten Dorfbewohner, unter denen er lebte. Vielleicht würde er eines Tages aus der Anonymität hervortreten, die ihn umgab. Vielleicht würde sein Name weit besser bekannt werden als die Namen aller seiner Verwandten – aber im Guten oder Bösen?
Manche hätten behauptet, die Antwort hänge davon ab, wer man sei; sie hätten darauf hingewiesen, dass die berüchtigtsten Terroristen oft in ihrem eigenen Volk als Helden verehrt wurden. Es gibt Leute, die dich und mich als Terroristen bezeichnen würden, hatte Jared ihm einmal erklärt. Belknap war indigniert gewesen: Weil wir Übeltätern mit Gewalt begegnen? Jared hatte den Kopf geschüttelt: Weil sie uns für die eigentlichen Übeltäter halten.
Nicht dass Jared niemals versucht
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