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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Einleitung. »Das Ansari-Netzwerk. Darüber wissen wir nichts. Unbestätigte abgehörte Gespräche verweisen allerdings auf einen nicht näher bezeichneten estnischen Industriellen.«
    »Wie viele von denen kann’s überhaupt geben?«
    »Du würdest dich wundern.« Ein glucksendes Lachen. »Vielleicht einer, der bisher noch nicht in unser Fadenkreuz geraten ist. Aber das wäre irgendwie logisch. Beim Abzug aus den baltischen Staaten haben die Sowjets riesige Waffenlager zurückgelassen  – und das meiste Zeug ist nicht bei der estnischen Armee gelandet, das kann ich dir sagen.« Eine Brise ließ die Stieleichen rauschen, brachte den Geruch von Lehm und Pferdeschweiß mit sich.
    »Wieso hat es in Estland überhaupt ein derartiges Arsenal gegeben?«
    Jetzt wandte sie sich ihm zu. »Denk nur an die geografischen Verhältnisse. Der Finnische Meerbusen galt als strategisch wichtig, weil alle Seetransporte nach St. Petersburg – nach Leningrad, sollte ich sagen – ihn passieren mussten. Über zweihundertfünfzig Kilometer lang liegt Finnland im Norden und das gute alte Estland im Süden. Estland war auch strategisch wichtig für die Rigaer Bucht – sogar für die ganze Ostsee. Alles, was die dortigen Seestreitkräfte anging, betraf irgendwie Estland. Deshalb hat’s dort einen gottverdammt großen Flottenstützpunkt gegeben,
und keiner war besser darin, sich Waffen und Munition zu sichern, als die Sowjetmarine. Vermutlich hatte das mehr mit der Machtverteilung im Kreml als mit strategischen Überlegungen zu tun, aber bei Verteilungskämpfen innerhalb der Streitkräfte ist der Sieg meistens an die Marine gegangen.«
    »Die Privatisierung des estnischen Arsenals war nicht direkt offizielle Politik, nehme ich an.« Sein Blick ruhte auf einem alten Walnussbaum, der allmählich von Kudzu- Ranken erstickt wurde. Sie bedeckten seine Zweige wie eine Zeltplane.
    »In der chaotischen Wendezeit, in der im Osten viele Leute den Unterschied zwischen Kapitalismus und Diebstahl nicht begriffen haben, ist dort in großem Stil geplündert worden.«
    »Womit haben wir’s also hier zu tun? Willst du behaupten, Genesis sei ein estnischer Oligarch? Oder dass er nur einen als Strohmann benützt? Was steckt dahinter?«
    »Ich habe dir erzählt, was ich weiß, und das ist sehr wenig. Nur Andeutungen und Vermutungen, aber das weißt du selbst. Komischerweise hat das Ansari-Netzwerk es niemals für nötig gehalten, uns eine hübsche Hochglanzbroschüre zuzuschicken.«
    »Wie passt Genesis in dieses Bild?«
    Ruth zuckte mit den Schultern. »Mein Vater war ein begeisterter Fotoamateur. Hatte seine Dunkelkammer im Keller. Ab und zu ist eines von uns Kindern dort reingeplatzt, während er seine Negative entwickelt hat. Dadurch sind alle seine Meisterfotos mit fliegenden Footbällen zu Klumpen aus Nebel und Schatten geworden. Für den Schuldigen hat’s ordentlich Prügel gesetzt. Der springende Punkt ist, dass wir hier kein gottverdammtes Bild haben. Wir haben bloß Nebel und Schatten.«
    »Ich will nur wissen, wer Prügel kriegen muss«, sagte Belknap nachdrücklich. »Sprich mit mir, Ruth. Erzähl mir von Genesis.«
    »Genesis. Mit diesem Begriff verbinden sich viele Legenden. Viele rätselhaft oder grausam, weißt du. Zum Beispiel die Geschichte von jemandem, der Genesis hintergehen wollte und
zwei Jahre lang in einem Stahlsarg, der seinem Körper genau angepasst war, gefangen gehalten und künstlich ernährt wurde. Die ganze Zeit lang konnte er sich kaum ein paar Zentimeter bewegen. Nach zwei Jahren war er so verkümmert, waren alle seine Muskeln so atrophiert, dass er gestorben ist. Kannst du dir das vorstellen? Dahinter muss eine Fantasie wie von Egar Allen Poe stecken.
    Ich will dir noch eine andere Geschichte erzählen, die wir aus Athen erfahren haben. Ein weiteres seiner Opfer gehörte einer reichen griechischen Reederfamilie an. Aber die Story handelt nicht von dem jungen Mann, sondern von seiner Mutter, die anscheinend untröstlich war. Es heißt immer, die Zeit heile alle Wunden, aber das war hier nicht der Fall. Die Mutter wollte unbedingt den Mörder ihres Sohns sehen und hat das auch überall herumposaunt. Sie hat von nichts anderem mehr gesprochen.«
    »Sie wollte Rache. Das ist verständlich.«
    »Nein, nicht einmal das. Sie wusste, dass sie sich nicht würde rächen können. Sie wollte Genesis nur von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, ihm in die Augen sehen. Wollte nur sehen, was bisher noch niemand gesehen hatte.

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