Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Tisch und stand auf. »Los, mitkommen.«
Belknap blinzelte der Bedienung mit Verschwörermiene zu, dann verließ er das Restaurant durch eine Schwingtür, ging an der Küche vorbei und trat auf eine kleine asphaltierte Fläche hinaus, auf der Pfandflaschen zur Abholung gestapelt waren. Gleich dahinter begann eine schmale Durchfahrt. Sie zwängten sich an einem Müllcontainer vorbei und erreichten wenig später die Parallelstraße. An der nächsten Kreuzung blieb Belknap stehen und sah sich um. Er schien nichts Verdächtiges zu bemerken, denn er beugte sich hinunter und sperrte einen dunkelgrünen Mercury auf. »Einsteigen«, sagte er nur.
Im nächsten Augenblick fuhren sie um die Ecke, bogen noch einige Male ab und schwammen dann im Verkehr auf der West Street mit.
»Ihr Wagen war an einem Hydranten geparkt«, sagte Andrea schließlich.
»Ich weiß.«
»Woher wussten Sie, dass er nicht abgeschleppt werden würde?«
»Sie haben den Verwarnungsblock auf dem Instrumentenbrett übersehen. Aber wer im Auftrag der Stadt unterwegs ist, hätte ihn gesehen. Er bedeutet, dass dies ein Cop-Car ist. Den lässt man in Ruhe.«
»Dies ist ein Cop-Car?«
»Nein, und der Verwarnungsblock ist auch nicht echt. Aber er wirkt immer.« Belknap sah zu ihr hinüber. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Mit fehlt nichts. Fragen Sie mich nicht ständig danach.«
»Brr! Wollen Sie sich diese Sache mit ›Ich bin eine Frau, hört mich brüllen‹ nicht für ein anderes Mal aufheben? Ich habe kapiert. Sie sind stark. Sie sind unbesiegbar. Sie sind eine Frau.«
»Okay, ich habe schreckliche Angst. Wie zum Teufel haben Ihre Kumpel …«
»Nicht meine Kumpel, glaube ich. Ihre.«
»Was?«
»Die Sache hat nicht nach einer Schleppnetzfahndung von Cons Ops ausgesehen. Eher wie irgendein Überwachungsunternehmen. Meine Leute hätten ein Postauto benützt und wären zu dritt oder zu viert gewesen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich vermute, dass Ihre Kollegen nach Ihrem Besuch am One Terrapin Drive beschlossen haben, Sie im Auge zu behalten. Gewaltlose Überwachung, um eine unsichere Situation unter Kontrolle zu halten.«
»Ich bin vorsichtig gewesen«, protestierte sie. »Ich hab aufgepasst. Ich weiß nicht, wie sie mir dorthin gefolgt sein sollen.«
»Diese Leute sind Profis. Sie sind keiner.«
Andrea wurde rot. »Entschuldigung.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie sollen nur leben und lernen. Oder besser gesagt: lernen und leben. Sie wollen nach Rosendale, nicht wahr?«
»Ich wollte in einem Hotel in der Nähe übernachten.«
»Ich bringe Sie hin.«
»Das ist eine Fahrt von zwei Stunden«, warnte sie ihn.
Er zuckte mit den Schultern. »Der Wagen hat ein Radio«, sagte er.
Sie stellten es doch nicht an. Sie fuhren über den Major Deegan Expressway nach Norden auf die Interstate 87. Der Mercury war das unauffälligste Fahrzeug, das er sich hatte besorgen können; sie wurden nicht beschattet, das versicherte er ihr, und niemand konnte ihre Bewegungen voraussehen, versicherte sie sich.
»Gestern hätten wir umkommen können«, sagte sie, als er anscheinend zum zehnten Mal seinen Rückspiegel verstellte. »Das mag dumm sein, aber ich muss immer wieder daran denken. Wir hätten sterben können!«
»Was Sie nicht sagen«, antwortete er sarkastisch.
Andrea starrte ihn an, versuchte erneut, aus diesem Mann schlau zu werden. Er schien ganz aus angespannten Muskeln und Wut zu bestehen, hatte ein Gesicht, das alle möglichen Schattierungen von Frustration und Zorn ausdrückte, kräftige Finger mit dicken Nägeln – Hände, die viel mitgemacht und zweifellos nicht wenig ausgeteilt hatten. Er wirkte hoffnungslos grob und unempfindlich, und trotzdem … nahm sie in ihm einen wachen Verstand und einen Scharfsinn wahr, den sie noch nicht ganz ausgelotet hatte. Er war grobknochig, derb, ungehobelt, aber zugleich raffiniert. Wie nannten seine Kollegen ihn – den Spürhund? Ein treffender Spitzname. Er hatte sogar eine gewisse raubtierhafte Wildheit an sich.
»Passiert Ihnen so etwas – ein knappes Entkommen, eine Sache, die ins Auge hätte gehen können, ein Aufblitzen der Sense
von Schnitter Tod –, denken Sie dann: ›Ja, mir gefällt’s, wie ich mein Leben gelebt habe?‹ Oder denken Sie etwas anderes?«
Belknap sah zu ihr hinüber. »Ich denke nichts.«
»Nein?«
»Richtig. Das Erfolgsgeheimnis von Topagenten. Nicht zu viel nachdenken.«
Andrea verstummte. Schließlich bewarb er sich nicht um die Aufnahme
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