Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
hat einen Hals.«
»Estland ist weit weg«, sagte sie.
»Genesis ist ein Globetrotter. Wie die Bancroft-Stiftung auch. Das macht sie zu natürlichen Verbündeten. Oder zu Gegnern.«
»Sie glauben, dass Genesis innerhalb der Stiftung Verbündete hat?«
»Das halte ich für wahrscheinlich. Mehr weiß ich sicher, wenn ich aus Estland zurückkomme.«
»Sie halten mich auf dem Laufenden, nicht wahr?«
»Das ist nur fair«, sagte er. »Und Sie machen hoffentlich einen weiten Bogen um Geheimagenten auf der Flucht. Mit denen hat man nur Ärger.«
»Das habe ich gemerkt. Jedenfalls werde ich ein paar Nachforschungen anstellen. Wissen Sie, ich habe mit einem Freund gesprochen, der bei der Finanzbehörde des Bundesstaats New York arbeitet.«
»Und Ihr Freund hat seinerseits Freunde?«
»Die Stiftung hat ihren Sitz im Staat New York, also habe ich mir überlegt, dass alle Unterlagen bei seiner Behörde liegen müssten.«
Belknap verdrehte sich erneut den Hals, als beobachte er etwas Ungewöhnliches. Hatte er etwas Verdächtiges entdeckt? »Und?«, fragte er.
»Ich bin nicht wirklich fündig geworden. Aber er erzählte mir, Jahrzehnteweit zurückreichende Akten seien anderswo gelagert.«
»Wo gelagert?«
»In einem ehemaligen Erzbergwerk in Rosendale, New York«, antwortete Andrea.
»Und wennschon? Gefälschte Unterlagen werden tagtäglich eingereicht.«
»Klar doch. Aber die Sache sieht anders aus, wenn es sich um private Organisationen handelt, deren Angaben genau geprüft werden. Das sind authentische Unterlagen, die einigermaßen der Wahrheit entsprechen müssen. Natürlich enthalten sie nicht die
ganze Wahrheit, aber doch genügend solide Fakten, die ein Ausgangspunkt sein können.«
Die Bedienung servierte ihnen zwei Teller mit dem französischen Toast, den er bestellt hatte. »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat«, sagte sie. »Benny ist eigens über die Straße gegangen, um Mascarpone zu holen. Er wollte Sie nicht enttäuschen.«
»Benny hat mich noch nie enttäuscht«, sagte Belknap.
»Sie hält Sie für einen Cop, stimmt’s?«, fragte Andrea, nachdem die Bedienung gegangen war.
»Stimmt, aber sie weiß nicht recht, wie sie mich einordnen soll. Vielleicht als FBI-Agenten. Ich habe mich nie deutlich dazu erklärt. Der springende Punkt ist, dass Cops in diesem Viertel beliebt sind.«
»Weil die Leute nichts zu verbergen haben.«
»Oder weil sie etwas zu verbergen haben.«
»Doug will mir also helfen, Zutritt zu diesem Archiv in Rosendale zu erhalten.«
»Puh, Aktenkram!«
»Irgendwo in der Vergangenheit dieser Stiftung muss es eine Schwachstelle geben. Eine verräterische Spur. Einen verdeckten Hinweis. Eine Schwäche, die sich ausnützen lässt. Irgendetwas gibt’s immer.«
»Ja, in Romanen und Filmen. Im richtigen Leben gibt’s oft überhaupt nichts. Tut mir leid, dass ich gerade Ihnen das beibringen muss. Storys sind eine Sache; das Leben ist eine andere.«
Andrea schüttelte den Kopf. »Ich denke, wir leben in und von Storys. Wir organisieren unser Leben rings um Storys. Sie fragen mich, wer ich bin; ich erzähle Ihnen eine Story. Ich selbst habe mir eine Story über meine Mutter ausgedacht. Diese Story ist in die Brüche gegangen, und damit war auch ich am Boden zerstört. Sie haben eine Story über Jared Rinehart, über alles, was er schon für Sie getan hat – und diese Story verpflichtet Sie dazu, ihn unbedingt
zu retten, selbst wenn Sie dabei umkommen sollten. Es gibt kein Leben außerhalb von Geschichten.«
»Schon mal darüber nachgedacht, ob Sie vielleicht zu lange studiert haben?« Belknap musterte sie amüsiert. »Ich verdanke mein Leben Jared Rinehart. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Versuchen Sie nicht, die Sache noch komplizierter zu machen.« Sein Blick wurde streng. »Versuchen Sie den französischen Toast.«
»Wozu? Ich habe ihn nicht bestellt. Das ist wieder typisch Mann! Der Herrschaftsanspruch wird durch Essen untermauert.« Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Gott, ich rede wirklich schon wie eine zänkische Frauenrechtlerin.«
Er setzte sich ruckartig auf. »Wir müssen gehen.«
»Warum so plötzlich?«, fragte Andrea. Dann bemerkte sie seinen Gesichtsausdruck und fröstelte unwillkürlich.
»Der FedEx-Mann dort drüben auf der anderen Straßenseite.« Belknap nickte zu ihm hinüber. »Der gerade etwas ausliefert.«
»Und?«
»Die Tageszeit stimmt nicht. FedEx liefert nicht nachmittags um vier aus.« Er legte ein paar Scheine auf den
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