Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Stimme. Ihm fiel auf, dass der vor ihm stehende Wachmann mit einer Gjursa Wector SR-1 bewaffnet war – einer russischen Pistole, deren Geschosse selbst Kevlarwesten durchschlagen konnten. Sie gingen sogar durch sechzig Lagen Kevlar und surrten auch nicht als Querschläger herum, weil sie alles durchlöcherten. Auch seinen Körper würden sie mühelos durchschlagen.
»Wissen Sie, die Sache ist nicht so, wie sie aussieht«, fügte Belknap hinzu.
Ohne ein Wort zu sagen, schlug der Wachmann ihm plötzlich mit der Hand, in der er seine Pistole hielt, ins Gesicht.
Der Schlag traf ihn wie ein Maultiertritt. Belknap übertrieb die Wirkung absichtlich, was nicht viel Mühe kostete. Er taumelte heftig mit den Armen rudernd rückwärts … und sah dabei den verächtlichen Blick des anderen. Der Mann ließ sich keinen Augenblick lang täuschen. Ein zweiter schmerzhafter Schlag folgte – auf die gleiche Stelle, wie es Profis machten. Belknap
zwang sich dazu, auf den Beinen zu bleiben, obwohl seine Knie nachzugeben drohten. Sein Instinkt sagte ihm, dass dies nicht der richtige Augenblick war, sich zur Wehr zu setzen. Der Mann wollte ihn nicht k.o. schlagen, sondern versuchte nur, ihm seine Überlegenheit zu beweisen. Schließlich würden sie ihn noch verhören wollen.
»Keine Bewegung«, knurrte der Mann mit heiserer Stimme. »Stillhalten wie eine Kleiderpuppe.«
Belknap nickte stumm.
Einer der anderen Wachleute sprach in spöttischem Tonfall mit dem jungen Blonden mit dem Bürstenschnitt. Belknap verstand natürlich kein Wort, aber er bekam immerhin mit, dass der Junge anscheinend Pawel hieß. Der junge Mann kam heran und tastete Belknap ab, um sich zu vergewissern, dass er unbewaffnet war. Er zog ein kleines Metermaß aus Metall aus der Hüfttasche des Amerikaners und warf es beiseite.
»Okay, was machen Sie hier?« Der Mann mit den scharfen Gesichtszügen, offenbar der Boss, sprach wie jemand, der auf Widerstand hoffte, um eine Entschuldigung für weitere Gewalt zu haben.
Belknap schwieg. Aber sein Verstand arbeitete auf Hochtouren.
Der Boss trat noch näher an ihn heran. Belknap konnte seinen sauren Fleischatem riechen. »Sind Sie taub?«, erkundigte er sich. Die Frage eines Spielplatzrowdys, nach der die Gewalt kommen würde, für die er lebte.
Belknap drehte plötzlich impulsiv den Kopf zur Seite und starrte den jüngsten Wachmann an. »Pawel!«, sagte er bittend und vorwurfsvoll zugleich. »Sag’s ihnen!«
Der Mann mit den scharfen Zügen kniff die Augen zusammen. Aus seiner Miene sprachen Verwirrung und Misstrauen. Pawel wirkte wie vor den Kopf geschlagen. Aber Belknap starrte ihn weiter an.
»Du hast’s mir versprochen, Pawel! Du hast mir versprochen, dass nichts in dieser Art passieren würde!«
Der massige Boss musterte den blonden, jungen Gewichtheber misstrauisch. Unter dem rechten Auge des Jungen war ein Tic entstanden. Ein Zeichen für nervöse Anspannung. Die war unvermeidlich, aber für jeden, der sie so deuten wollte, auch verdächtig.
Pawel murmelte etwas, das Belknap auch ohne Übersetzung verstand: irgendeine Version von: »Keine Ahnung, was der Kerl quatscht«.
»Oh, bitte!«, stieß Belknap empört hervor. Er erinnerte sich an Jared Rineharts Ratschlag: Ein Verdacht, lieber Castor, ist wie ein Fluss; man kann seine Strömung nur vermeiden, indem man ihn umleitet. Die Erinnerung daran verlieh Belknap neue Kraft. Er schob den Unterkiefer vor, nahm die Schultern zurück und sah nun weniger schuldbewusst als gekränkt drein.
Die Stimme des ersten Wachmanns klang drohend – wer damit gemeint war, war jedoch nicht leicht auszumachen. »Sie kennen diesen Mann?«, fragte er.
»Drakulovic?« Belknap spuckte diesen Namen förmlich aus. »Ich hab’s mir eingebildet. Aber das war anscheinend ein Irrtum.« Sein wütender Blick schien den jungen Mann durchbohren zu wollen. »Verdammter Scheißkerl!«, brüllte er los. »Was für ein Spiel spielst du? Glaubst du, dass mein Boss sich das einfach gefallen lässt?« In diesem Augenblick improvisierte er verzweifelt und bemühte sich, ein Szenario zu entwerfen, das die Wachleute faszinieren, aber ihnen rätselhaft bleiben würde. Er musste einfach auf Zeit spielen.
Belknap rollte theatralisch mit den Augen, als Pawel Drakulovic aufgeregt leugnete, protestierte. Seine Empörung war echt, aber sie wirkte defensiv, möglicherweise gespielt. Belknap stellte fest, dass seine beiden Kollegen sich unauffällig ein paar Schritte von ihm abgesetzt hatten, um
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