Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
listige schwache Lächeln des Mannes bestätigte nur die Identifizierung. »Würden Sie Ihr Leben darauf verwetten?«, fragte er mit grässlich vertrautem nasalem Schnarren in der Stimme. In seiner linken Hand hielt er eine großkalibrige Pistole.
»Aber ich habe Sie sterben gesehen!«
Kapitel neunzehn
»Sie haben mich sterben gesehen, was?« Lugners Echsenzunge fuhr wie auf Fliegenfang über seine Lippen. »Dann ist’s nur fair, dass jetzt ich Ihren Tod zu sehen bekomme. Nur wird’s diesmal keine Bühnentricks geben. Mit zunehmendem Alter bin ich ein immer größerer Anhänger der Realität geworden, wissen Sie. Älter, aber weiser. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Mr. Belknap. Als wir uns zuletzt gesehen haben, waren Sie noch ein hoffnungsvoller Jüngling. Naiv und unerfahren genug, um sich reinlegen zu lassen.« Er lachte sein grausames, meckerndes Lachen.
Belknap zwang sich dazu, ruhig weiterzuatmen. Er kannte die 9-mm-Pistole, die Lugner in der Hand hielt. Mattschwarz, mit geriffeltem Gehäuse, das Verschluss und Lauf umgab: eine Steyr SPP. Fast ein Sturmgewehr mit sehr kurzem Lauf.
»In all den Jahren seither«, fuhr Lugner fort, »haben Sie den taufrischen Schmelz Ihrer Jugend eingebüßt, fürchte ich, und sind nur gröber geworden. Dicker und gröber.« Er kam einen Schritt näher heran. »Die Poren Ihrer Gesichtshaut, die Adern unter der Haut, auch Ihre Gesichtszüge – alles das wird immer gröber. Mit jedem Jahr sind Sie geistloser und dafür fleischiger geworden. Weniger Seele und mehr Körper.«
»Das … das verstehe ich nicht.«
»Für vier Milliarden Jahre Evolution haben Sie nicht viel vorzuweisen, nicht wahr?« Richard Lugner sah zu seinen bewaffneten Leibwächtern hinüber. »Gentlemen, achten Sie auf die Resignation in seinem Blick.« Er wandte sich an Belknap. »Sie gleichen einem in die Falle gegangenen Tier. Anfangs kämpft das Tier – Nerz oder Fuchs, Wiesel oder Hermelin – wie wild. Es
kratzt an den Gitterstäben, schlägt nach allen Seiten, dreht und windet sich, jault und strampelt. So vergeht ein Tag, aber der Jäger, der die Falle gestellt hat, lässt sich nicht blicken. Das Tier tobt, dann schmollt es. Erst tobt es, dann schmollt es. Ein weiterer Tag vergeht, dann noch einer. Das Tier wird aus Wassermangel schwach. Es kauert auf dem Boden des Käfigs. Es wartet nur noch auf den Tod. Dann kommt der Trapper. Aber das Tier hat die Hoffnung aufgegeben. Es öffnet die Augen, ohne um sich zu schlagen – weil es den Tod akzeptiert hat. Der Jäger kann es freilassen, doch das Tier hat sich zum Tod verurteilt. Es hat sich aufgegeben. Diese Entscheidung lässt sich nicht mehr rückgängig machen.«
»Sind Sie gekommen, um mich freizulassen?«
Ein sadistisches Grinsen verzerrte Lugners Gesicht. »Ich bin gekommen, um Ihren Geist freizusetzen. Der Tod ist unser aller Schicksal. Ich bin derjenige, der dafür sorgen wird, dass Ihr Schicksal sich beschleunigt erfüllt. Sie haben von niemandem Hilfe zu erwarten. Wie ich zufällig weiß, hat Ihr eigener Arbeitgeber sich praktisch von Ihnen losgesagt. Ihre ehemaligen Kollegen wissen, dass man Sie meiden muss wie die Pest. Wen wollen Sie sonst um Unterstützung bitten – einen publicitysüchtigen Senator aus dem Mittleren Westen? Vielleicht den lieben Gott? Dann wohl eher den Teufel.« Ein humorloses Lachen. »Es wird Zeit, die Kindereien hinter sich zu lassen und würdevoll in den Tod zu gehen.« Er wandte sich an den Wachmann, der Englisch konnte. »Dieser Gentleman darf das Gebäude verlassen.«
Der Uniformierte zog die Augenbrauen hoch.
»In einem Leichensack.« Lugners schmallippiger Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.
»Am besten bringen Sie gleich mehrere mit.« Belknap achtete darauf, dass seine Stimme ruhig klang.
»Wir packen Sie gern doppelt ein, wenn Sie das möchten«, versicherte Lugner ihm.
Belknap zwang sich dazu, scheinbar unbekümmert zu lachen.
»Freut mich, dass Sie meinen Scherz zu würdigen wissen.«
»Nein, ich lache über etwas anderes«, knurrte der Amerikaner. »Ich hätte euch alle nicht gerade zu Begleitern auf meiner letzten Reise gewählt. Aber dabei kann man gewöhnlich nicht wählen. Ich werde dieses Gebäude nicht lebend verlassen. Das ist wahr. Aber ich habe eine Kleinigkeit zu erwähnen vergessen: Niemand verlässt das Gebäude lebend. Ja, Triazeton-Tri-Peroxid ist ganz große Klasse. Haut einen echt vom Stuhl.« Ein breites Grinsen, auf das Calvin Garth’ Chorsänger neidisch gewesen
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