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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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an und steckte das Tier mit dem Kopf durch den Spalt. Es tat ihm den Gefallen, laut zu quietschen. Er knipste ein Stück Glasfaserkabel ab, band es der Ratte an den Hinterlauf und schob sie noch etwas weiter durch den Spalt. Das Tier wand sich verzweifelt, als es nur noch Luft unter sich sah. Belknap kniff es kräftig in den Schwanz, damit es erneut aufquietschte.
    Jetzt warf der Wachmann sich herum, hob den Kopf und sah den spitzen Rattenkopf unter einem losen Teil der Deckenverkleidung. Auf dem fleischigen grauen Gesicht des Esten dämmerte falsches Verstehen: Die Ratten – vielleicht entwischte Versuchstiere des Pharmaunternehmens dort oben – kamen aus der Decke!
    »Kurat! Ema keppija! Kuradi munn!« Ein ganzer Schwall unverständlicher Schimpfwörter; unüberhörbar waren jedoch der Zorn und die Frustration des Wachmanns. Er wirkte weder besorgt noch ängstlich, denn er war zu dem Schluss gelangt, für diesen Fehlalarm sei nicht er, sondern eine Firma für Schädlingsbekämpfung
zuständig. Jetzt verschwand er für einige Minuten. Belknap kannte die üblichen Sicherheitsvorschriften gut, und wenn der Mann sich daran hielt, war er hinausgegangen, um zu unterbinden, dass der Alarm weitergemeldet wurde.
    Diese Zweistufigkeit war Standard, wenn außer elektronischen Sensoren zusätzliches Wachpersonal eingesetzt wurde. Als Erster wurde der Wachmann alarmiert, der vier bis fünf Minuten Zeit hatte, die Ursache festzustellen. Konstatierte er einen Fehlalarm – und neunundneunzig Prozent aller Alarme waren Fehlalarme –, konnte er die Weiterleitung unterbinden. Tat er das nicht oder nicht rechtzeitig, begann automatisch die nächste Stufe der Alarmierung. Der Este hatte wie ein gut ausgebildeter Profi reagiert: Er hatte den Grund für den Alarm identifiziert und jetzt die Sensoren in diesem Bereich vorübergehend abgeschaltet, um selbst Wache zu halten. Ungezieferbefall war kein Sicherheitsproblem. Morgen früh würde ein Kammerjäger gerufen werden.
    Belknap wusste auch, dass hier nur ein Wachmann Dienst tat. Hätte es einen zweiten gegeben, hätte der Mann ihn bestimmt gerufen – vielleicht auch nur, damit er als Abwechslung von seinem langweiligen Nachtdienst dieses Schauspiel begaffen konnte.
    Der Uniformierte befand sich jetzt wieder im Raum genau unter ihm. Er sah wie ein weiteres Opfer der gehaltvollen estnischen Küche aus. Trotzdem bewegte er sich überraschend agil. Er starrte die über ihm wild mit den Pfoten scharrende Ratte einige Sekunden lang an. Dann sprang er hoch, versuchte sie mit der Faust zu treffen – nur eine Handbreit von Belknap entfernt, der jetzt die Deckenplatte wegzog und sich mit einem schweren Schraubenschlüssel in der anderen Hand zum Zuschlagen bereitmachte. Das lief wie in Zeitlupe ab: Der Hochspringende sah, wie die Dämmplatte über ihm weggezogen wurde, sah einen Mann im Schatten. Für eine Zehntelsekunde hatten die beiden
Blickkontakt. Auf dem Gesicht des Uniformierten standen Erstaunen und Verzweiflung, dann angstvolle Schicksalsergebenheit, als der schwere Stahl in Belknaps Hand seine Stirn traf, ihm mit dumpfem Schlag eine Gehirnerschütterung zufügte. Der bewusstlose Wachmann sackte schlaff auf den Teppichboden zusammen.
    Belknap warf seine Ledertasche hinunter, hängte sich an einen Querträger, schwang leicht nach vorn, um auf einem Schreibtisch zu landen, und sprang von dort aus zu Boden. Als Erstes begutachtete er die Modellnummer des nächsten Bewegungsmelders. Hatte er seine Standardeinstellung richtig im Kopf, würde das Gerät nur fünf Minuten lang ausgeschaltet bleiben. Zwei dieser Minuten waren bereits verstrichen.
    Mit fast automatischen Bewegungen zog er mühelos das weiße Kunststoffgehäuse des Sensors ab. Bei einem Gerät alter Bauart wäre es einfach gewesen, jetzt die Linse zu blockieren – vielleicht mit einem Stück Pappe – und so zu verhindern, dass sie wieder aktiviert werden konnte. Aber neuere Ausführungen entdeckten solche Blockaden und schlugen Alarm, sobald sie eine visuelle Sperre dieser Art registrierten. Deshalb machte Belknap sich mit einem kleinen Uhrmacherschraubenzieher an die Arbeit. Er löste die winzigen Schrauben, mit denen Verstärker und Komparator befestigt waren. Unmittelbar darunter sah er vier dünne Drähte, die in das Gerät führten. Zwei davon, die der Stromversorgung dienten, trugen den Aufdruck 12VDC – 12 Volt Gleichstrom – auf ihrer Isolierung. Die beiden anderen waren die Drähte, auf die es ankam. Er

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