Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
wären.
»Wie langweilig Ihre Lügen sind«, sagte Lugner mit einer unwilligen Handbewegung. »Wie geistlos!«
»Warten Sie’s ab. Ich habe überall Triazeton-Sprengladungen angebracht. Mit einem Zeitzünder. Ich hatte gehofft, inzwischen längst fort zu sein. Leider bin ich aufgehalten worden. Und jetzt ist das Schicksal dabei, den letzten Trumpf auszuspielen.« Er ließ den linken Arm sinken, sah auf seine Uhr. »Darin liegt ein gewisser Trost. Ich weiß, dass ich sterben werde. Aber auch Sie werden umkommen. Das bedeutet, dass ich mit gewisser Befriedigung sterben kann. Ein Leben, das Ihnen den Tod bringt, ist nicht umsonst gelebt worden.«
»Mich kränkt nicht, dass Sie lügen, sondern dass Sie so schlecht lügen. Geben Sie sich doch etwas Mühe, Mann!«
»Sie möchten gern glauben, dass ich lüge, weil es Ihren Stolz beleidigt, sich eingestehen zu müssen, dass Sie in eine Falle gegangen sind.« Belknaps Stimme klang fast unvernünftig triumphierend. »Ha! Glauben Sie auch nur eine Sekunde lang, dass mir nicht völlig klar war, welchen Alarm ich ausgelöst habe? Für wie amateurhaft halten Sie mich eigentlich, Sie pockennarbiges Stück Scheiße?«
»Darauf fällt niemand rein«, sagte Lugner unbeirrt.
»Sie scheinen das Wichtigste nicht zu begreifen: Mir ist alles egal.« Belknap sprach mit dem Fatalismus eines Mannes auf dem
Schafott. »Ich versuche nicht, Sie zu überzeugen. Ich informiere Sie nur. Gewissermaßen aus alter Anhänglichkeit. Damit Sie wissen, was hier läuft. Wenn Sie sterben, sollen Sie wissen, weshalb.«
»Und wenn ich sofort ginge? Nur um dieses absurde Szenario bis zum Ende durchzuspielen.«
Belknap sprach langsam und sehr deutlich, betonte seine Konsonanten sorgfältig. »Der Aufzug ist längst wieder unten im Foyer. Sechzig Sekunden, um hier rauszukommen, dann noch mal mindestens dreißig Sekunden, bis der Lift da ist … sorry. Die Zeit reicht nicht mehr – vor allem nicht für jemanden, der wie Sie hinkt. Und Ihre Leute hier … nun, die sind sozusagen eine Dreingabe. Eigentlich geht’s hier nur um Sie und mich. Ich glaube nicht, dass ihre Englischkenntnisse sehr gut sind. Also brauchen Sie nicht zu befürchten, dass sie versuchen, sich selbstständig zu retten. Und sind sie wirklich loyal, werden sie mit ihrem Boss in die Luft fliegen wollen . Wie Hindufrauen, die sich auf den Scheiterhaufen mit der Leiche ihres Ehemanns werfen. Estnische sati . Nur reden wir hier von Triazeton-Tri-Peroxid: Nektar für den Gott des Donners. Können Sie’s riechen? Ein bisschen wie Nagellackentferner. Aber das wissen Sie natürlich. Sie können’s doch riechen, nicht wahr?« Er trat zwei Schritte näher an Lugner heran. »Wollen wir unsere restlichen Sekunden laut abzählen?«
Lugners Blick war durchdringender geworden, während Belknap sprach, aber er merkte auch, dass der blonde Leibwächter links neben ihm blass geworden war. Belknap machte eine kleine Abschiedsgeste, und der Mann warf sich herum und flüchtete. Der zweite Leibwächter schien ihm aufgeschreckt folgen zu wollen, aber Lugner riss blitzschnell seine Waffe hoch und schoss dem Flüchtenden in den Hinterkopf. In dem geschlossenen Raum war der Knall der Steyr laut, aber eigenartig ohne Echo. Die anderen starrten Lugner wie gelähmt an.
Jetzt! Während der zweite Leibwächter entsetzt auf den Erschossenen hinuntersah, streckte Belknap einen Arm aus und riss ihm die Pistole aus der Hand. Zwei rasche Schüsse erledigten den Boss der Wachleute und den überlebenden blonden Leibwächter. Als Lugner sich mit seiner Steyr in der Hand nach ihm umdrehte, warf Belknap sich hinter einen der stählernen Aktenschränke. Ein Geschoss durchschlug das Stahlblech, wurde von zahlreichen Papierschichten aufgehalten und konnte die gegenüberliegende Seite nur noch ausbeulen. Belknap sah sein kleines Metermaß in der Nähe auf dem Teppichboden liegen. Damit du dir einen Sarg ausmessen kannst.
Nachdenken! Der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt und den sehnigen Armen eines Bodybuilders würde sich beeilen, wieder an seine Pistole zu kommen … Er würde sich über seinen gefallenen Boss beugen, um sie ihm aus der Jacke zu ziehen. Vorstellen! Belknap schob seinen rechten Arm blindlings um die Schrankecke und drückte zweimal rasch nacheinander ab. Die Schüsse waren ungezielt, aber sie basierten auf seiner Erinnerung daran, wo der Tote lag, über den der Mann mit dem Bürstenschnitt sich beugen würde. Ein gellend lauter Schmerzensschrei bewies
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