Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Schäbigkeit der Stadt und großer Teile ihrer Umgebung zu verdecken, nicht schlappzumachen. Bis zur Landung von Andreas Maschine blieben ihm sieben Stunden, die er größtenteils darauf verwenden würde, Stavros’ Villa auszukundschaften.
Wurde er beschattet? Ziemlich sicher nicht. Er würde trotzdem keine Vorsichtsmaßnahme auslassen. Er verbrachte eine volle Stunde damit, durch die Läden und Basare des alten Türkenviertels zu streifen, und wechselte dabei zweimal die Kleidung: Er trug vorübergehend einen billigen Kaftan, bevor er sich wieder in einen Touristen aus dem Westen in Buschhemd und Khakihose verwandelte.
Die Adresse, die er hatte – 500 Lefkara Avenue –, war zutreffend und dabei seltsam ungenau. Belknap stellte fest, dass Nikos Stavros am Stadtrand von Larnaka ein ganzer Hügel mitsamt dem anschließenden Strand gehörte. Seine Villa mit Blick übers Meer war eine Festung. Die hohe Grundstücksmauer war unersteigbar, von Bandstacheldraht gekrönt und in Abständen von zehn Metern mit Überwachungskameras gesichert; sogar am Strand ließen zahlreiche Bojen auf Sicherheitsvorkehrungen wie Torpedonetze und eine Sonaranlage schließen. Eine Fliegerbombe konnte die
Villa erschüttern, aber ansonsten würde es sehr schwierig sein, dort hineinzukommen.
Vom nächsten Hügel aus, einer sandigen, spärlich bewachsenen Erhebung, erkannte er üppig grüne Rasenflächen, die offenbar das Ergebnis intensiver Bewässerung waren. Das Haus war eine zweistöckige Villa im mediterranen Stil: blendend weiß gestrichen, mit zahlreichen Erkern und Balkonen, nach allen Seiten wie ein riesiger Seestern oder eine gigantische, erst auf den zweiten Blick teilsymmetrische Origami-Arbeit ausufernd. Umgeben war sie von schätzungsweise fünfzehn Hektar Land. In der näheren Umgebung des Hauses sah er gepflegte Blumenbeete, frisch geschnittene Hecken und schattenspendende Zypressen. Durchs Fernglas begutachtete Belknap auch die Nebengebäude: Stallungen, Garagen, Swimmingpool, Tennisplatz. Hinter der Hangkante, sodass sie vom Haupthaus nicht sichtbar waren, standen von Maschendrahtzäunen umgeben mehrere niedrige Hütten, die Hundezwinger sein mussten. Die Hunde, deren starke Kiefer so tödlich waren wie jede Kugel, halfen nachts mit, das Grundstück zu bewachen. Uniformierte Gestalten gingen entlang der Mauer Streife; als Belknap sie genauer beobachtete, sah er, dass sie mit Sturmgewehren bewaffnet waren.
Belknap ließ entmutigt sein Fernglas sinken. Er musste wieder daran denken, was Gennadi einmal über Spürhunde und Jagdhunde gesagt hatte. Spielte er hier außerhalb seiner Liga? Hatte er die Grenzen seiner Fähigkeiten überschritten? Selbst wenn es ihm gelang, die technischen Überwachungsmittel stillzulegen, wurde der Großreeder noch von einer Kompanie Bewaffneter geschützt. Übermüdung lastete bleischwer auf ihm.
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst – das hatte Jared Rinehart gern gesagt. Die Erinnerung an Jareds Stimme verursachte ihm fast körperliche Schmerzen wie starkes Sodbrennen. Es konnte nicht wahr sein. Es musste wahr sein. Es konnte nicht wahr sein. Es musste wahr sein. Eine rotierende Magnetspule aus
Zweifel und Gewissheit – ein Wechselstrom aus Eingestehen und Verleugnen – zehrte seine ohnehin nachlassende Konzentrationsfähigkeit auf.
Weshalb war er überhaupt hier? In den letzten neun Tagen war er einzig mit dem Versuch befasst gewesen, Jared Rinehart zu retten – oder ihn zu rächen. Angetrieben hatte ihn eine Gewissheit, die gestern Abend zerstoben war. Jetzt war der Spürhund auf der Jagd nach etwas anderem, das eindeutig, unwiderlegbar, wesentlich war. Er war auf der Jagd nach der Wahrheit.
Andreas Stimme: Sagen Sie mir, wo’s sicher ist .
Ein Schattenreich, das die Welt umspannt.
Nirgends gab es Sicherheit. Nirgends würde es Sicherheit geben. Erst wenn Belknap dafür sorgte. Oder bei diesem Versuch ums Leben kam.
Die Sonne schien hell – Mittag auf einer Mittelmeerinsel, der Himmel unnachahmlich mediterran azurblau –, und trotzdem hätte um ihn herum rabenschwarze Finsternis herrschen können. Obgleich Belknap stolz auf seine Fähigkeit war, Täuschungsmanöver zu durchschauen, war er über viele Jahre hinweg das Opfer einer groß angelegten Täuschung gewesen. Beim Gedanken daran verkrampften sich seine Magennerven. Vielleicht wurde es Zeit, sich die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen einzugestehen. Und Genesis freie Hand lassen?
Aus Schmerz entstand neuerliche
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