Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
weiß, dass nicht ich die Quelle war. Weshalb zum Teufel hätte ich auspacken sollen? Welchen Zweck hätte das gehabt? Damit hätte ich mir nur selbst geschadet. Sie haben mir gedroht, meine Flotte aus ihren Häfen auszusperren, wenn mir Missachtung des amerikanischen Kongresses nachgewiesen werden kann. Einfach so. Aber ich habe sie darauf hingewiesen, dass ich zypriotischer Staatsbürger bin! Daraufhin haben sie mir Sanktionen gegen meine US-Firmen angedroht. Dazu hatten sie natürlich kein Recht. Und das habe ich ihnen auch gesagt.«
»Kann ich mir vorstellen.« Belknap schnaubte verächtlich. »Die Kerle aus Washington haben Ihnen echt die Daumenschrauben angelegt, was? Na los, erzählen Sie schon! Es ist auf jeden Fall besser, wir hören alles von Ihnen .«
»Da gibt’s nichts zu erzählen. Ich habe eisern dichtgehalten. Ich bin Zyprer, wir wissen, wann man schweigen muss. Aus mir war nichts, absolut nichts rauszukriegen. Ehrenwort! Bitte … McTaggart kann sich für mich verbürgen. Sie müssen … bitte glauben Sie mir doch!«
Der Amerikaner ließ eine lange Pause eintreten. »Ob ich Ihnen traue, spielt letztlich keine Rolle.« Er senkte die Stimme zu einem drohenden Flüstern. »Entscheidend ist, ob Genesis Ihnen vertraut.«
Bei diesem Namen wurde der Großreeder sichtlich blass.
Belknap vertraute auf seinen Instinkt, während er die Paranoia nutzte, von der niemand ganz frei war. Wie der korpulente Prinz in Oman ihm begreiflich gemacht hatte, basierte ein Großteil von Genesis’ Macht auf der Tatsache, dass niemand genau wusste, wer er war oder wer insgeheim in seinem Sold stand.
»Bitte«, wimmerte der Zyprer. Sein Blick irrte durch den Raum. »Ich … ich muss auf die Toilette«, stammelte er. »Bin sofort wieder da.« Er flitzte nach nebenan und verschwand durch eine schmale Tür.
Was hatte er vor? Verstärkung wollte er nicht anfordern, denn er hätte seinem Butler nur zu klingeln brauchen. Also machte er etwas anderes.
Plötzlich wusste Belknap, worum es sich handelte. Er ruft seinen Partner in Tallinn an.
Stavros kam zwei Minuten später zurück. Er musterte den Amerikaner mit eigenartigem Blick; ihm schienen plötzlich Zweifel gekommen zu sein, die wie Wüstenpflanzen nach einem Regenschauer sprossen. »Richard Lugner ist …«
»Tot«, sagte Belknap rasch. »Ganz recht. Sehen Sie, er hat versucht, Genesis Vorschriften zu machen. Lassen Sie sich das eine Lehre sein.«
Stavros’ kreidebleiches Gesicht wurde noch blasser. Er stand steif und mit Whiskeyflecken auf seinem Seidenhemd da, das unter den Armen große dunkle Schweißflecken hatte. Während Belknap ihn unverwandt ansah, begann er am ganzen Leib zu zittern. »Lugner … er …«
»Er hat Glück gehabt. Er musste nicht lange leiden. Bei Ihnen wär’s anders. Schönen Tag noch.« Belknap bedachte ihn mit einem Blick, aus dem glühende Verachtung sprach, bevor er die Bibliothek verließ und die schwere Tür hinter sich zuknallte. Sein Triumphgefühl verflüchtigte sich rasch, versank in einem Malstrom aus Ungewissheiten – und in der Erkenntnis einer alten Wahrheit: Waidwunde Tiere waren immer am gefährlichsten.
Belknap wusste kaum, wo ihm der Kopf stand, als er mit seinem Land Rover über den sandigen Hügel hinunter und auf der Küstenstraße weiterfuhr. Das Gespräch mit Stavros war auf eine Weise aufschlussreich gewesen, die der Zyprer gar nicht hätte würdigen können, aber auch Belknap hatte seinen Inhalt noch nicht ganz begriffen. Eine Tatsache war sicherlich bedeutsam: Für Stavros war Genesis ein gefürchteter Feind – ein Feind, der besänftigt und beschwichtigt werden musste, aber trotzdem ein Feind. Lugner war kein Helfershelfer von Genesis, sondern sein Gegner gewesen. Das war eine Überraschung. War es vielleicht möglich, daraus Kapital zu schlagen?
Er gestand sich widerstrebend ein, dass ihm Andreas Hilfe, ihre Fachkenntnis nützlich sein konnte … dass er sie vielleicht sogar brauchte. Aber nicht nur ihre Hilfe. Ihre … was? Ihren scharfen Verstand. Ihren Blickwinkel. Ihre Fähigkeit, gegensätzliche Vorstellungen in Betracht zu ziehen und zu erforschen. Aber dahinter steckte mehr als nur das. Obwohl er sich alle Mühe gegeben hatte, sie daran zu hindern, nach Zypern zu kommen, war
er insgeheim dankbar gewesen, als sie darauf bestanden hatte. Er würde sich mit ihr in den Hotelapartments Livadhiotis in der Nikolaou-Rossou-Straße treffen. Wenn ihre Maschine pünktlich landete, musste Andrea in etwa
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