Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Entschlossenheit. Gewiss, Stavros’ Anwesen wurde ultrasicher bewacht. Aber auch in diesem Verteidigungsring musste es irgendeine Lücke geben. Wabernde Nebelschwaden lösten sich auf, machten kristallener Klarheit Platz – und einem weiteren Ausspruch Jareds: Kommt man unmöglich rein, versuch’s mit der Haustür.
Eine Stunde später fuhr Belknap mit einem gemieteten Land Rover vor; dem finster dreinblickenden Mann am äußeren Tor machte er eine Mitteilung, die über zwei Stationen weitergegeben wurde. Sein Wagen und er wurden durchsucht, erst dann
durfte er weiterfahren. Er parkte wie angewiesen auf einem schattigen Parkplatz, dessen Kies so ordentlich und sorgfältig gerecht war wie ein japanischer Sandgarten. An der Haustür wiederholte er seine Mitteilung für den Butler, der ihn im Cut empfing. Sie war einfach und sehr wirkungsvoll: »Sagen Sie Mr. Stavros, dass ich von Genesis komme.«
Auch diesmal verfehlte sie ihre Wirkung nicht. Der Butler, ein hagerer Mittsechziger mit leicht gelblichem Teint und Schatten unter den braunen Augen, empfing Belknap nicht übertrieben höflich und bot ihm erst recht keinen Drink an. Er sprach englisch mit vage levantinischem Akzent, aber seine Bewegungen waren abgezirkelt steif, fast pedantisch – vielleicht ein weiteres Überbleibsel aus der kolonialen Vergangenheit der Insel. Die Eingangshalle der Villa hatte eine reich geschnitzte Kassettendecke aus Mahagoni, passend zur Wandtäfelung.
»Mr. Stavros erwartet Sie in der Bibliothek«, erklärte der Butler ihm. Während er sich abwandte, sah Belknap unter seinem schwarzen Jackett flüchtig eine brünierte kleine Luger. Er wusste, dass er die Waffe hatte sehen sollen.
In der Bibliothek gab es mehr Eichentäfelung als Bücherschränke; der prächtige Kronleuchter aus Muranoglas sah aus, als stamme er aus einem venezianischen Palazzo, was vermutlich zutraf. Bisher entsprach die Einrichtung der Villa – Wandtäfelungen, Regency-Möbel, nicht ganz erstklassige Alte Meister – ziemlich genau Belknaps Vorstellungen.
Nikos Stavros jedoch nicht. Belknap hatte einen Hünen mit energischem Kinn, durchdringendem Blick und kräftigem Händedruck erwartet … den bekannten Typus des griechischen Großreeders, der gelernt hatte, die schönen Seiten des Lebens zu genießen, ohne notfalls vor hemdsärmeligen Auseinandersetzungen im Hafen und auf der Werft zurückzuschrecken.
Im Gegensatz dazu hatte der Mann, der hastig aufstand, um ihm eine schlaffe, feuchte Hand zu reichen, durchaus nichts Eindrucksvolles
an sich. Sein Blick war wässrig und unkonzentriert. Er war schmächtig gebaut, hatte eine Hühnerbrust, dünne Handgelenke und die mageren Waden eines Jungen. Sein schütter werdendes, fast farbloses Haar klebte in schweißnassen Strähnen an seinem blassen Schädel.
»Nikos Stavros?« Belknap musterte ihn aufmerksam.
Stavros bohrte sich mit einem langen Fingernagel im linken Ohr. »Sie können gehen, Cajus«, sagte er zu dem hageren Butler. »Wir wollen unter vier Augen miteinander sprechen. Alles in bester Ordnung.« Aber sein Tonfall besagte etwas anderes. Der Mann war offenbar verängstigt.
»Also, was kann ich für Sie tun?«, fragte Stavros seinen Besucher. »Ich rede wie eine Verkäuferin, nicht wahr?« Der Mann stieß ein kurzes, trockenes Lachen aus und fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Nun aber im Ernst. Meine Erfolge habe ich stets durch Kooperation erzielt.«
Er faltete seine Hände vor dem Bauch, um ihr Zittern zu verbergen.
Belknap drehte sich um und sah, dass der Butler noch auf der Schwelle der Bibliothekstür stand.
Die Tür wurde lautlos geschlossen; sie war auf der Innenseite mit Leder gepolstert, das im englischen Stil durch Messingnägel in Rauten unterteilt wurde.
Belknap machte einen großen Schritt auf Stavros zu, der sich ängstlich zusammenzuducken schien.
Trotzdem hatte er Anweisung gegeben, den Besucher vorzulassen. Weshalb? Anscheinend hatte er geglaubt, ihm bleibe nichts anderes übrig. Er wollte nicht riskieren, Genesis gegen sich aufzubringen.
»Kooperation ist eine Sache«, sagte Belknap schroff. »Kollaboration ist eine andere.«
»Ja, ich verstehe«, sagte Stavros, der offenbar nichts verstand. Dieser unendlich reiche Mann zitterte praktisch vor Angst. Darüber
konnte Belknap nur staunen. »Ich bin für jede Art von Kollaboration offen.«
»Kollaboration.« Der Agent kniff die Augen zusammen. »Mit unseren Feinden.«
»Nein!« Stavros jaulte beinahe.
Weitere Kostenlose Bücher