Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
einer Stunde dort sein.
In seinem Rückspiegel sah er einen anderen Wagen aus der schmalen Hügelstraße kommen, die nur zu Stavros’ Villa führte. War das Stavros selbst? Als die Limousine aufs Gelände des großen Jachthafens abbog, folgte Belknap ihr in gebührendem Abstand. Durch eine Reihe verkrüppelter Kiefern sah er einen Mann – nicht Stavros – aussteigen und mit langen, selbstbewussten Schritten zum Kai gehen. Belknap fuhr noch etwas näher heran.
Der Mann war groß und schlank, aber er bewegte sich mit geschmeidiger Kraft wie ein Puma. Er sprach mit dem Parkwächter in seiner Hütte am Rand des Parkplatzes, und als er sich umdrehte und auf seinen Wagen deutete, hatte Belknap das Gefühl, ihm drehe sich der Magen um.
Nein, das konnte nicht sein!
Kurzes braunes Haar, elegant lange Gliedmaßen, hinter einer Sonnenbrille verborgene Augen – aber Belknap kannte diese Augen, kannte ihren seelenvollen grau-grünen Blick, kannte diesen Mann.
Jared Rinehart.
Sein Freund. Sein Feind. Was war Rinehart wirklich? Das musste er wissen.
Belknap war aus dem Land Rover gesprungen und lief los – rannte, spurtete los –, bevor er merkte, was er eigentlich tat.
»Jared!«, rief er laut. »Ja-red!«
Der große Mann drehte sich nach ihm um, und was Belknap in seiner Haltung sah, war unverkennbar Angst.
Jared rannte los, hetzte davon, als renne er um sein Leben.
»Bitte bleib da!«, rief Belknap ihm laut nach. »Wir müssen miteinander reden!«
Das war fast komisch untertrieben. Aber in Belknaps Brust lagen so viele Gefühle im Widerstreit – nicht zuletzt die sicher unbegründete Hoffnung, Rinehart werde ihm alles erklären und ihm helfen können, damit sein Leben wieder einen Sinn bekam, indem er die vielen Haarrisse mit Vernunft, Logik und Klarheit versiegelte, die schon immer sein Markenzeichen gewesen waren. Bitte bleib da . Aber Rinehart flüchtete durch den Jachthafen, als gehe von Belknap eine tödliche Gefahr aus. Er hetzte einen langen Steg, dessen Planken seine Füße kaum berührten, in erstaunlichem Tempo entlang. Belknap geriet bei der Verfolgung außer Atem und verringerte sein Tempo etwas. Ein Steg, der ins Hafenbecken hinausführte. Wohin konnte Pollux schließlich fliehen?
Eine dämliche Frage, die wenige Augenblicke später beantwortet wurde, als Jared in ein Motorboot hinuntersprang. Wie es die Hafenbehörde vorschrieb, steckte der Zündschlüssel, sodass Rinehart nur Sekunden später übers grüne Wasser der Bucht von Larnaka davonrauschte.
Nein! Er hatte die letzten zweihundert Stunden damit verbracht, diesen Mann zu suchen. Nachdem er ihn jetzt bis in Sichtnähe erreicht hatte, würde er erst recht nicht aufgeben.
Ohne viel darüber nachzudenken, sprang er impulsiv in ein kleines Motorboot, ein Riva Aquarama, elegant wie ein teurer Sportwagen, mit Glasfaserrumpf und einem Steuerstand aus Chrom und poliertem Mahagoni. Belknap warf die Bug- und Heckleinen los, mit denen das Boot an Pollern festgemacht war, schloss die Abdeckung über dem Motor und drehte den Zündschlüssel nach rechts. Der starke Motor sprang sofort an und lief leise grollend weiter.
Die Instrumentenkonsole im Steuerstand erinnerte an das Armaturenbrett eines alten Sportwagens: In dunklem Holz saßen große Rundinstrumente mit hellblauen Ziffern auf schwarzem Hintergrund; das gerillte Steuerrad war weiß und taubenblau und hatte verchromte Speichen. Belknap schob den Gashebel nach
vorn. Das leise Grollen wurde zu einem Röhren, während die Schrauben das Wasser hinter dem Bootsheck aufwühlten. Die orangerote Nadel des Öldruckmessers ging in mehreren kurzen Rucken nach oben, die des Voltmeters schlug ganz nach rechts aus. Der Motor kam auf Touren, und das Boot nahm Fahrt auf. Dabei hob sich sein Bug aus dem Wasser. Aber wo war Rinehart?
Belknap kniff die Augen zusammen, um durch Gischt und Sonnenglast die Meeresoberfläche abzusuchen. Das war nicht anders, als beobachte man durch ein IR-Zielfernrohr jemanden, der sich eine Zigarette anzündete. Zu stark aufflammendes Licht. Vom Kai aus hatte das Meer täuschend still ausgesehen; in Wirklichkeit war der Seegang ziemlich stark, und die Wellen hoben und senkten sich wie ein nach Atem ringender Leviathan und wurden umso höher, je weiter das Land hinter ihm zurückblieb. Doch weit halbrechts vor sich erkannte er Pollux; die hagere Gestalt ragte am Ruder vor der Kimm auf. Die aus Steuerdüsen an Bug und Heck sprühende Gischt zeigte, dass er drehte, als bereite
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