Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Mann mit der platten Nase und den schweren Lidern, der mit seinem Schreibbrett und seinen Listen weiter vor seinen kleinen Bildschirmen hockte.
»Dies ist ein Notfall«, sagte Belknap. Er warf sich herum und deutete auf den Mann im braunen Anzug. »Wie ist dieser Mann hier reingekommen?«, wollte er wissen.
Der Sicherheitsbeamte sah streng drein und tat so, als habe er die Situation unter Kontrolle. Seit Belknap enttarnt worden war,
waren sieben Sekunden vergangen. Weil er keine Waffe hatte – er hätte keine durch den Metalldetektor bringen können –, blieb ihm nichts anderes übrig, als möglichst viel Verwirrung zu erzeugen. Wie man das machte, stand im Ausbildungshandbuch in der Rubrik »Sozialtechnologie«. Das Dumme war nur, dass viele seiner Gegner die gleiche Ausbildung genossen hatten.
Der Mann in dem braunen Anzug war flink und beweglich; Belknaps Trick hatte ihn nicht im Geringsten von der Fährte abgebracht. Als Belknap rasch zu ihm hinübersah, stellte er fest, dass der Mann eine Pistole gezogen hatte, die er bestimmt unter dem Jackett getragen hatte. Jetzt kam es darauf an, sich keine Blöße zu geben: Ließ Belknap erkennen, dass er die Waffe gesehen hatte, und weigerte sich trotzdem, seine Befehle auszuführen, war der Mann zum Schusswaffengebrauch berechtigt. Aber nicht, wenn Belknap von der Waffe nichts ahnte.
Belknap drehte den Kopf zur Seite und hielt Blickkontakt mit dem Sicherheitsbeamten an seinem Platz, noch während er auf den Mann im braunen Anzug zuging – auf einen Mann, der ihn mit einer Schusswaffe bedrohte. Belknaps wirkungsvollste Waffe war im Augenblick die Tatsache, dass er unbewaffnet war; unnötiger Waffengebrauch vor einem oder mehreren Zeugen bescherte selbst jemandem aus den »Spezialdiensten« einen Karriereknick.
Jetzt drehte Belknap sich nach dem Agenten in dem braunen Anzug um. »Wo liegt das Problem, Mann?«, protestierte er.
»Hände hoch, damit ich Sie sehen kann«, befahl ihm der andere. Er nickte einem weiteren Mann zu, der hinter Belknap näher kam. Belknap sah sich um und erkannte den Rothaarigen aus dem Aufzug, der fast im Laufschritt herankam. Inzwischen hatten auch drei Nationalgardisten ihre Gewehre entsichert, obwohl ihre Gesichter zeigten, dass sie verwirrt waren. Alles passierte so schnell und mit so vielen Finten und Täuschungsmanövern, dass sie nicht genau wussten, wer eigentlich die Zielperson war.
Hätte Belknap die Hände gehoben, wäre sofort alles klar gewesen; deshalb entschied er sich dagegen.
Er rief sich nochmals die Verteilung ins Gedächtnis zurück. Zwei Agenten. Drei Nationalgardisten. Ein uniformierter, aber unbewaffneter Sicherheitsbeamter im Foyer. Dazu ungefähr ein Dutzend Leute, hauptsächlich Besucher, von denen die meisten begriffen, dass es hier eine Störung gab, obwohl sie vielleicht nie sehr viel mehr erfahren würden.
Belknap nahm die Schultern leicht zurück und stemmte die Arme in die Hüften. Das war eine kämpferische Haltung, die trotzdem nicht bedrohlich wirkte. Seine Hände waren leer, unbewaffnet, nicht zu Fäusten geballt. So stand er breitbeinig da. Das war eine Haltung, die besagte: Hier befehle ich! Polizeibeamten lernten sie zu benützen, um sich ohne Waffengebrauch durchzusetzen.
Aber das stimmte natürlich nicht. Belknap hatte nichts zu befehlen. Deshalb verwirrte seine Haltung, ohne bedrohlich zu sein. Die Augenzeugen – auch die drei Nationalgardisten – würden nicht sehen, wie ein Verdächtiger festgenommen wurde. Sie würden einen Sergeanten der Nationalgarde sehen, der so tat, als sei er der Vorgesetzte des Mannes in dem braunen Anzug. Die bloße Unlogik dieser Szene würde sie daran hindern, zuversichtlich auf eine sich rasch ändernde Situation zu reagieren – und genau darauf legte Belknap es an.
Jetzt trat er noch einen Schritt auf den Mann im braunen Anzug zu, sah ihm in die Augen und ignorierte seine Waffe. Er hörte die Schritte des muskulösen Rothaarigen, der genau hinter ihm herankam. Ein Fehler, sagte Belknap sich. So waren alle drei Männer in einer Linie aufgereiht, was bedeutete, dass die 9-mm-Pistole des Rothaarigen – bestimmt schon gezogen – zumindest im Augenblick unbrauchbar war. Das Kaliber garantierte nur, dass ein Schuss, der Belknap traf, seinen Körper durchschlagen und den Mann im braunen Anzug treffen würde. So war der
Rothaarige zumindest einige Sekunden lang ungefährlich. Belknap machte noch einen Schritt auf den Mann vor ihm zu, der wie erwartet
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