Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
haben Sie verdammt viel Zeit für Ihren Körper aufgewendet. Jetzt brauche ich nur eine Zehntelsekunde lang enttäuscht zu sein, um Sie für zwei, drei Jahre in eine Reha-Klinik zu schicken. Was haben Sie heute Morgen geladen? Vielleicht Hydra-Shoks – diese hässlichen Geschosse mit Hohlspitzen, die im Körper aufpilzen? Jedenfalls müssen Sie sich vorstellen, wie ein Geschoss Ihren Körper durchschlägt, Organe zerreißt und Nerven zerfetzt.« Er sprach leise, fast beruhigend. »Vermutlich werden Sie Ihren Körper davor schützen wollen. Und das können Sie.« Sein Blick war gebieterisch. »Los, führen Sie mich ab! Die Leute können sehen, dass Sie mit einer Pistole auf meinen Kopf zielen, und werden vermuten, dass Sie mir unter der Jacke Handschellen angelegt haben, wie man’s bei Kriegsgefangenen macht. Sie rufen jetzt laut, damit alle Sie hören können, dass Sie mich festgenommen haben, dass Sie den Verhafteten abführen. Dann bringen Sie mich, neben mir hergehend, aus dem Gebäude.«
»Kommt nicht infrage«, knurrte der Agent. Aber bezeichnenderweise erhob er nicht die Stimme.
»Mein Rat? Ist diese Glock mit gewöhnlicher Munition geladen, können Sie’s riskieren. Dann kriegen Sie eine hübsche Pension, und mit etwas Glück treffe ich weder Ihr Rückgrat noch einen Hauptnerv. Aber wenn Sie Munition geladen haben, die wirkungsvoller ist, weil sie sich im Körper ausdehnt?« Belknap wusste, dass die Glock damit geladen war. »Dann verbringen Sie den Rest Ihres Lebens damit, sich zu fragen, warum Sie nicht das Vernünftige getan haben. Entscheiden Sie sich jetzt . Sonst nehme ich Ihnen die Entscheidung ab.«
Der rothaarige Agent holte tief und zittrig Luft. »Ich hab ihn!«, blaffte er die Nationalgardisten an. »Ich nehme den Verhafteten mit. Lasst uns durch!« Ein weiteres tiefes Atemholen. Aus einiger Entfernung mussten Angst und Übelkeit auf seinem Gesicht als Ungeduld gedeutet werden. »Gottverdammt noch mal, lasst uns durch!«
Belknaps Rolle verlangte wiederum, dass er deprimiert und schicksalsergeben wirkte. Das fiel ihm überraschend leicht.
Undeutlich wahrgenommene gebrüllte Befehle begleiteten ihren Spießrutenlauf vor dem Gebäude. Belknap ließ die Augen meistens niedergeschlagen und blickte nur gelegentlich auf, um die Absperrungen und die abweisenden Gesichter der Nationalgardisten zu sehen, deren Gewehre auf ihn zielten.
Der Rothaarige spielte seine Rolle gut, weil er sich nur wie der Profi zu verhalten brauchte, der er natürlich war. Vor allem die Tatsache, dass die Sache so rasch vorbei war, wirkte sich zugunsten von Belknap aus. Insgesamt weniger als sechzig Sekunden. Der rothaarige Agent – Diller war er unterwegs von jemandem genannt worden – erreichte mit ihm seinen Dienstwagen. Der schwierige Teil war vorüber.
Auf Belknaps Befehl, der vom Rücksitz aus geblafft wurde, gab er einfach Gas und fuhr schnell davon, bevor weitere Bewaffnete einstiegen. Sie hielten kurz vor der Maryland Avenue an einer Ampel. Belknap beugte sich nach vorn und knallte dem
Mann die Glock mit der flachen Seite so an die Schläfe, dass er bewusstlos übers Lenkrad sackte. Anschließend sprang er aus dem Wagen und verschwand fünfzig Meter weiter in der nächsten Metrostation. Bald würden andere die Verfolgung aufnehmen, aber sein Vorsprung würde reichen. Er wusste, wie man untertauchte. Sobald die Metro angefahren war, trat Belknap in den Durchgang zwischen zwei Wagen. Von dem ratternden Zug durchgerüttelt, hielt er mühsam das Gleichgewicht, als er die Tarnjacke auszog und auf die Gleise fallen ließ. Dann benützte er ein scharfes Taschenmesser, um die Tarnhose aufzutrennen, wobei er darauf achtete, nicht in das Gewebe darunter zu schneiden und seine Hosentaschen auszuleeren.
Der Mann, der in die Metro eingestiegen war, hatte wie ein Nationalgardist ausgesehen – in öffentlichen Verkehrsmitteln ein häufiger Anblick. Mit grünem T-Shirt und Jogginghose sah der Mann, der jetzt in den nächsten Wagen trat, wie ein Jogger aus – ein noch häufigerer Anblick.
Während der Zug durch den Untergrund ratterte, tastete Belknap nach dem zusammengefalteten Blatt Papier in seiner rechten Hosentasche.
Genesis. Weglaufen kannst du nicht , dachte er. Mal sehen, ob du dich verstecken kannst.
Kapitel fünfundzwanzig
Melde dich, flehte Belknap im Stillen und nicht zum ersten Mal. Bitte melde dich . Das Band zwischen ihnen war nicht sehr fest. Sie hatte seine Handynummer; er hatte ihre. Aber er hatte
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