Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
und dann seelisch grausam. Ihre kleine Tochter betrachtete er als kaum mehr als eine lärmende Unbequemlichkeit. Er trank viel. Ihre Mutter begann ebenfalls zu trinken: erst aus dem vergeblichen Bemühen, mit ihm Schritt zu halten, später aus dem genauso vergeblichen Wunsch, sich abzuschotten. Manche Früchte reifen am Stamm, Schätzchen, hatte sie Andrea oft erklärt. Andere verschrumpeln einfach.
    Im Allgemeinen vermied sie es jedoch, über dieses Thema zu sprechen. So dauerte es nicht lange, bis Andrea sich nur noch schemenhaft an ihren Vater erinnern konnte. Vielleicht war Reynold, ein Neffe des Familienpatriarchen, nur eine unrühmliche Ausnahme gewesen, aber als der Clan sich gegen sie zusammenschloss, lernte Laura die Bancrofts insgesamt hassen.
    Es war stets eine Frage der Loyalität ihrer Mutter gegenüber gewesen, eine Bancroft zu sein, die keine war. Schon in der High School in Hartford und später häufiger im College war es immer wieder mal vorgekommen, dass jemand bei der Erwähnung von Andreas Familiennamen die Augenbrauen hochgezogen und sie gefragt hatte, ob sie »eine dieser Bancrofts« sei. Das hatte sie stets geleugnet. »Aus einer anderen Linie«, hatte sie behauptet. »Aus einer ganz anderen.« Das kam ihr sogar wahr vor, und jetzt erschien es ihr wie Verrat, den Reichtum zu akzeptieren, den ihre Mutter abgelehnt hatte. »Goldene Ketten«, hatte ihre Mutter immer gesagt und damit das Geld der Bancrofts gemeint. Nachdem sie Reynold verlassen hatte, musste sie ihren luxuriösen Lebensstil mit allen Genüssen aufgeben. Was hätte sie zu Andreas Entscheidung gesagt? Zu der dreifach geleisteten Unterschrift? Zu diesem Ja?
    Andrea schüttelte den Kopf, tadelte sich selbst. Die Entscheidungen waren nicht vergleichbar. Ihre Mutter hatte aus einer schlimmen Ehe ausbrechen müssen, sonst hätte sie ihre Seele verloren. Vielleicht versuchte das Schicksal jetzt eine Art Wiedergutmachung, indem es einer Generation zurückgab, was es einer
anderen genommen hatte. Vielleicht würde ihr das helfen, ihre Seele zu finden .
    Außerdem stand eines fest: Reynold Bancroft war vielleicht ein Hundesohn gewesen, trotzdem war die Bancroft-Stiftung zweifellos eine sehr gute Sache. Und was war mit dem hinter ihr stehenden Patriarchen, ihrem Vorsitzenden und Chefplaner: War er etwa kein Bancroft? Auch sein Bestreben, möglichst im Hintergrund zu bleiben, änderte nichts an den Tatsachen. Paul Bancroft war nicht nur ein großer Philanthrop, sondern gehörte zu den größten Denkern, die Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht hatte – ein ehemaliges akademisches Wunderkind, ein wichtiger Moraltheoretiker und ein Mann, der seine Prinzipien in die Tat umsetzte. Ein Clan, der Paul Bancroft zu den Seinen zählen konnte, hatte allen Grund, darauf stolz zu sein. War das die rechte Art, ein oder eine Bancroft zu sein, konnte sie sich nur anstrengen, sich ihrer würdig zu erweisen.
    Andreas Gedanken – und ihre Stimmung – fuhren Achterbahn mit ihr. Im Vorbeigehen erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild und hatte plötzlich das schmale, verhärmte Gesicht ihrer Mutter vor Augen. So hatte Andrea sie vor ihrem Verkehrsunfall zuletzt gesehen.
    Vielleicht war dies keine gute Zeit, allein zu sein. Sie litt noch unter ihrer Trennung von Brent Farley, die noch nicht lange zurücklag. Sie hätte feiern sollen, statt schmerzlichen Erinnerungen nachzuhängen. Freunde zum Abendessen einladen – das erforderte der Anlass. Ihre Freunde und sie redeten immer davon, man müsse Dinge spontan tun; weshalb sollte sie’s nicht mal damit versuchen? Sie führte ein paar Telefongespräche, fuhr kurz zum Einkaufen, deckte den Esstisch für vier Personen. Très intime. Trotzdem bestimmt ausreichend, um die Gespenster zu vertreiben. Es war ganz natürlich, dass es ihr schwerfiel, sich an ihre neuen Umstände zu gewöhnen. Aber – Jesus! – was hätte man sonst feiern sollen, wenn das kein Grund zum Feiern war?
     
    Todd Belknap sprang von seinem Stuhl auf. »Wollen Sie mich verarschen?«
    »Bitte«, sagte Garrison gedehnt. »Wie praktisch, dass der Kerl gestorben ist, kurz bevor Ihre Überwachungsgeräte online gehen konnten. So gibt’s keine Aufzeichnungen, keine Beweise für das, was wirklich abgelaufen ist.«
    »Warum zum Teufel hätte ich ihn liquidieren sollen?« Belknap war steif vor Empörung. »Ich war im Arbeitszimmer dieses Scheißkerls. Ich war dabei, Wanzen anzubringen, damit wir alles mithören konnten. Sie können

Weitere Kostenlose Bücher