Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
lange im aktiven Dienst. Ich habe in den frühen Siebzigerjahren die Anhörungen vor dem Church-Komitee miterlebt. Nach allem, was man hört, wird die Kirk-Kommission noch erheblich schärfer vorgehen. Die ganze Geheimdienstbranche geht im Augenblick nur noch auf Zehenspitzen.«
»Ich kann nicht glauben, dass Sie unter diesen Umständen Washingtoner Büroklatsch verbreiten!«
»Ihr Leute im Außendienst kapiert nie etwas. Der Dienst ist nur ein weiteres Schlachtfeld, genauso wie der Capitol Hill eines ist. Auch hier werden Schlachten gewonnen und verloren. Werden beantragte Haushaltsmittel gestrichen, ist damit ein Unternehmen gestrichen. Was wir überhaupt nicht brauchen können, sind Berichte über operative Unregelmäßigkeiten, die die Runde machen. Wen wir überhaupt nicht brauchen können, sind Sie.«
Belknap wurde fast schlecht bei all diesen logisch klingenden Ausflüchten. Operative Mannstunden, Zuweisungen von Haushaltsmitteln – das steckte hinter der »klugen Zurückhaltung«, für die der Führungsoffizier plädierte. Seine angebliche Sorge um Sicherheit und Geheimhaltung war eine künstliche Nebelwand, sonst nichts. Garrison war schon so lange Manager, dass er nicht mehr zwischen Menschenleben und Haushaltspositionen unterschied. »Wenn ich Sie so höre, schäme ich mich, denselben Beruf wie Sie zu haben.«
»Verdammt noch mal, wir können einfach nichts tun, ohne alles noch schlimmer zu machen!« Garrisons blitzende Augen schienen Funken zu sprühen. »Können Sie nicht mal einen einzigen gottverdammten Augenblick über Ihren Schatten springen? Glauben Sie, dass Drucker die Idee gefällt, untätig zu bleiben?
Glauben Sie, dass ich hier sitzen und Daumen drehen will? Das will hier niemand. Niemand hat diese Entscheidung leichtsinnig getroffen. Trotzdem ist die Führung sich in diesem Punkt einig.« Er richtete seinen Blick in mittlere Entfernung. »Ich erwarte nicht, dass Sie die großen Zusammenhänge sehen, aber wir können’s uns nicht leisten, etwas zu tun. Zumindest nicht jetzt.«
Blinder Zorn fegte durch Todd Belknaps ganzes Wesen wie ein Wirbelsturm, der über eine kahle Steppe heult. Wer sich mit Pollux anlegt, hat Castor auf dem Hals.
Mit einer jähen Armbewegung wischte Belknap die Lampe und das Telefon von Garrisons Schreibtisch. »Glauben Sie Ihre gottverdammten Ausreden? Jared hat Besseres von uns verdient. Und er soll es bekommen!«
»Es ist vorbei«, sagte Garrison ruhig.
Der Zorn verlieh Belknap wie immer neue Kräfte, und er würde alle Kräfte brauchen, die er mobilisieren konnte. Jared Rinehart war der beste Mann, den er je gekannt hatte – ein Mann, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Nun war die Zeit gekommen, sich dafür zu revanchieren. Belknap wusste, dass Jared vermutlich in diesem Augenblick gefoltert wurde, dass seine Überlebenschancen mit jedem ungenützten Tag, mit jeder ungenützten Stunde schwanden. Seine ganze Muskulatur versteifte sich – ein Widerstand der Seele, der zu einem Widerstand des Körpers geworden war –, als er aus dem Gebäude stürmte. Ein Wirbel aus Emotionen füllte die Leere in seinem Inneren aus: Zorn, Entschlossenheit und etwas, das Blutgier unangenehm nahekam. Es ist vorbei, hatte Garrison behauptet. Es ist vorbei, hatte Drucker behauptet. Belknap wusste, wie sehr seine Vorgesetzten sich täuschten.
Es hatte eben erst angefangen.
Kapitel drei
ROM
Es gab Verfahren, die eingehalten werden mussten, und Jussuf Ali – weiter für die Sicherheit des Unternehmens in der Via Angelo Masina verantwortlich – befolgte sie. Regelmäßig erschien er in der beengten Nachrichtenzentrale in einer rückwärtigen Ecke des ersten Stocks der Villa. Dort erhielt er eine Reihe von Nachrichten in verschiedenen Sprachen und mit unterschiedlicher Dringlichkeit. Trotzdem war das Wesentliche klar: Ihr ehemaliger Boss hatte seinerseits Bosse gehabt, die bisher nur nicht in Erscheinung getreten waren. Das Unternehmen gehörte jetzt ihnen. Die Sicherheitslücke musste geschlossen, die schwachen Glieder mussten ersetzt werden. Versagen – und es hatte Versagen gegeben – musste bestraft werden.
Für die Durchführung würde Jussuf Ali zuständig sein. Sie setzten hohe Erwartungen in ihn; er würde achtgeben müssen, damit er sie nicht enttäuschte. Er versicherte ihnen, sie könnten beruhigt sein. Sein bisheriges Leben war nicht das eines Mannes gewesen, der Gefahren scheute, aber er ging auch keine törichte Risiken ein.
Jussuf Ali
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